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Pan Fiala v novinách
 
 

Es geht um "Violett"

Seit sich in Österreich das "Eau de Strache" ausbreitet, wird mir meine Rolle als Migrant der dritten Generation mehr bewusst als in irgendeiner Zeit vorher. Es gibt ja wirklich nur ganz wenige unter den "Wienern", die nicht ebenso Vorfahren aus den umliegenden Ländern haben, HC ist ja selbst einer "von uns". Und daher beschreibe ich in verschiedenen Webs meine Familiengeschichte. Zufällig wurden zwei Redakteure auf diese Berichte aufmerksam. Ich darf diese Berichte nicht im Blog veröffentlichen, nur Links darauf. Aber hier, im Newsletter, macht das nicht so viel aus. Nach Abschluss der Publikation aller Bilder wird eine bebilderte Geschichte auf meiner Homepage zu finden sein: http://fiala.cc Hier also die Berichte:

Mehr als Ziegelböhm

Donnerstag, 10. März 2016, Wiener Zeitung, Valentine Auer

Die Zuwanderungsgeschichte der Tschechen gilt als Positivbeispiel gelungener Integration. Ein Blick zurück.

migration Lebensmittelgeschäft von Fialas Oma (1.) in der Grillgasse 38. Foto: privat

So genau haben wir die vielen Bilder mit Frau Auer nicht besprochen aber dieses Bild ist nicht aus der Grillgasse 38, dem Hauptgeschäft meiner Großmutter, sondern aus der Hauffgasse 11, wo meine Großmutter eine Filiale betrieben hat. Die beiden Frauen waren Schwestern, die diese Filiale bis 1945 leiteten. Danach bekamen sie von der damaligen CSR das Angebot für eine Remigration und sind - wie viele andere Wiener Tschechen auch - zurück in das verwaiste Sudetenland, mit den bekannten nachteiligen Folgen.

Zum Beispiel der Böhmische Prater in Favoriten, dessen Ursprung in den Ziegelwerken des späten 19. Jahrhunderts liegt. Oder die Ringstraße mit ihren Prachtbauten, die heute Touristen anzieht, wie sie früher Arbeiter aus Böhmen und Mähren anzog. Es sind Zeichen, die von einer langen Geschichte der Tschechen in Wien erzählen. Um 1900 lebten zwischen 300.000 bis 400.000 Tschechen in der Bundeshauptstadt. Nach Prag stellte Wien damals die zweitgrößte tschechische Stadt in Europa.

„Meine Großmutter stammte aus einer armen Familie in Mähren. Nachdem ihr Vater gestorben ist, war die Frage, wer die Familie ernähren soll." Die Lösung war Wien, schildert Franz Fiala seine Familiengeschichte. Seine Großmutter begann Ende des 19. Jahrhunderts in einem Konsum zu arbeiten. Der Großvater, ebenfalls aus Mähren, zog als Schlosser nach Wien. Er zählte zu jenen Arbeitern, die die Seile für das Wiener Riesenrad herstellten.

Diese Familiengeschichte ist nur eine von vielen ähnlichen: Während die Bevölkerung aus dem südlichen Böhmen zunehmend verarmte, boomte Wien zur gleichen Zeit: Die Stadtmauer brauchte einen neuen Schliff, die Ringstraße und die dazugehörigen Bauten wurden gebaut, Arbeitskräfte gebraucht. Ab 1850 zog es immer mehr Menschen von Böhmen und Mähren nach Wien.

Fialas Familienchronik erzählt auch eine Geschichte abseits von Stereotypen: Die Vielfalt der Wiener Tschechen langte weit über die Ziegelböhm oder die Böhmische Küche hinaus. Fialas Großmutter zählte mit einem eigenen Lebensmittelgeschäft in Simmering bald zu den Gewerbetreibenden. „Natürlich waren viele Tschechen in den Ziegeleien beschäftigt. Gemessen an der gesamten tschechischen Bevölkerung in Wien war es nur ein kleiner Teil. Es waren viele Handwerker und Gewerbetreibende dabei", entkräftigt Regina Wonisch vom „Forschungszentrum Historischer Minderheiten" das Klischee. „Manchmal waren es Karrierewege, die Beamten, Uni-Professoren oder Politiker nach Wien führten", ergänzt die Historikerin Vlasta Vales.

Zunehmende Ängste

Wahrgenommen wurden von der Mehrheitsbevölkerung hauptsächlich die arbeitenden Tschechen. Mit ihrer steigenden Zahl nahmen Ängste und Ressentiments innerhalb der Wiener Bevölkerung zu. Waren die Tschechen als notwendige Arbeitskräfte willkommen, ändert sich diese „Willkommenskultur" mit dem sozialen Aufstieg, der vielen Migranten nach und nach gelingt.

Die Politik des von 1897 bis 1910 amtierenden Bürgermeisters Karl Lueger fügte dieser Stimmung einen Assimilierungsdruck, der hauptsächlich Arbeiter betraf, hinzu: Das Öffentlichkeitsrecht für tschechische Schulen wurde verweigert, der Kampf um eine zweite tschechische Schule in Wien verloren und wollte man das Bürgerrecht erhalten, musste man eidlich schwören, dass der deutsche Charakter der Stadt Wien aufrechterhalten wird.

Fialas Familie kam in dieses von Ängsten und Deutschtümelei geprägte Klima nach Wien. Sie versuchten die tschechische Sprache beizubehalten: „Ein Wirtshaus in Simmering galt als Treffpunkt der Tschechen. Dort gab es auch Volksschulklassen. Alles geschah heimlich", erzählt Fiala. Seine Großmutter sprach nur wenig Deutsch. Als Geschäftsinhaberin mit einem tschechischen Kundenstock waren Deutschkenntnisse kaum notwendig.

Auch Fialas Mutter, aufgewachsen in der Zwischenkriegszeit, sprach lange Zeit kaum Deutsch. Sie besuchte eine tschechische Schule, wurde tschechisch-natio-na erzogen. Laut Fiala war es das „goldene Zeitalter" der Wiener Tschechen. Der bereits 1872 gegründete private Schulverein Komensky erhielt Öffentlichkeitsrecht. Weitere öffentliche Schulen wurden geschaffen. Die Basis dafür legte ein 1920 zwischen der Tschechoslowakei und Österreich abgeschlossener Vertrag. „Die waren zwar immer gegen die Schulen, doch der österreichische Staat konnte nicht mehr dagegen sein", sagt Vales. Lange hielt die „goldene Zeit" nicht an, viele Schulen und Vereine wurden bald wieder geschlossen. „Bis 1938 besuchte meine Mutter eine tschechische Handelsschule, die von einem Tag auf den anderen eingestellt wurde. Mit dem Hakenkreuz auf den Zeugnissen verließ sie die Schule", schildert Fiala die Folgen des aufkommenden Nationalsozialismus.

Dazu kamen Repressionen wie regelmäßige Verhöre. So auch in der Familie Fiala: „Mein Großvater war ein Typ wie aus ,Der Bockerer'. Goschat und immer über Adolf Hitler schimpfend. Die Folge war, dass die ganze Familie mehrmals zur NSDAP vorgeladen wurde." Die Großmutter verfrachtete den schimpfende Großvater nach Kritzendorf - aus der Schusslinie der NSDAP.

„Loyal" gegenüber Hitler

Die Angst vor weiteren Schikanen führte dazu, dass sich der Großteil der Tschechen bei der Volksabstimmung 1938 „loyal" gegenüber Hitler-Deutschland zeigte, erzählt Vales: „Sie wollten sich retten. Daher haben fast alle für den Anschluss gestimmt." Inoffiziell waren die Wiener Tschechen maßgeblich am österreichischen Widerstand beteiligt. Und doch: Es war der Zweite Weltkrieg, der die Assimilation wesentlich vorantrieb.

Heute sind die Spuren der tschechischen Zuwanderungsgeschichte kaum sichtbar. Laut Zahlen der „Medienservice-Stelle Neue Österreicher/innen" leben etwa 16.000 Personen tschechischer Herkunft in Wien. Die Gründung der Tschechoslowakei 1918, das repressive NS-Regime, die Remigration-Kampagne ab 1945 und die erschwerte Migration durch den Eisernen Vorhang sind Gründe für die sinkende Zahl der Tschechen in Wien.

Vereine, Schulen oder Zeitschriften bestehen nach wie vor. Doch geht man durch die Straßen Wiens, braucht es historisches Wissen, um die Geschichte zu erkennen. Eine Ausnahme: „Auf den Wiener Friedhöfen sind die Tschechen noch sichtbar", sagt Vales lachend. Ernster fügt sie hinzu: „Eigentlich ist das erschreckend."

Was auf jeden Fall bleibt: das Lernen aus vergangenen Migrationsgeschichten, ist sich Wonischsicher. War zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Angst vor der Slawisierung die Rede, ist es heute die Angst vor der Islamisierung: „Es gibt viele Parallelen zu heute. Da sollte man sich anschauen, was die eigentlichen Ursachen für die Ressentiments, die den Tschechen gegenüber empfunden wurden, waren. Dass es nicht um Sprache, nicht um Kultur, nicht um Religion, sondern um soziale, politische und um Machtfragen ging. Das ist auch heute so bei der Angst vor Überfremdung."


Programmier-Pionier und Vereinsfreund

Der grün-weiße Herr Violett

Wie aus einem Fußballskeptiker ein Fußballstatistiker wurde. Der vielseitig begabte und interessierte Franz Fiala hat aus Liebe zu seinem Sohn eine Rapid-Datenbank aufgebaut. Für Hannes Gaisberger (Text) und Mehmet Emir (Fotos) wendete er sich vom Bildschirm ab.

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Mit dem, was der Herr Fiala erlebt hat, könnte man locker einen Augustin füllen. Mit dem, was er zu erzählen hat, noch einen. Was in der harten Realität des Zeitungsmarktes nicht geht, ist im Internet problemlos möglich. Fiala, ein pensionierter HTL-Lehrer, stellt die Dinge auf seinen diversen Webseiten einfach online. Seinen Lebenslauf sein Maturazeugnis, seine Klassenfotos, Sinnsprüche. Und Daten zu Rapid Wien.

Auf ewkil.rapid.iam.at finden sich ein Kalender mit den Terminen und Geburtstagen rund um Rapid, dazu eine Unmenge an Statistiken und Daten, Fotos, Dokumente, ein Quiz und ein Tagebuch und noch mehr. Das «ewkil» steht übrigens für eine Zeile aus der Rapid-Hymne: «Egal wos kummt im Leb'n». Sowohl die Adresse als auch die Aufmachung der Homepage biedern sich dem_der Besucherin nicht gerade an. Man könnte Herrn Fiala für einen Computernerd halten, doch Pionier trifft es besser.

Das Kastl im Auto

Mitte der 1980er-Jahre wundert sich Fiala über die Fußballfans unter seinen Schüler innen. Ihre Schals und Rivalitäten und Sprüche interessieren ihn nicht im Geringsten. Der junge Lehrer begeistert sich für Computer, liest das Byte-Magazin und freut sich, als er 1986 endlich einen leistbaren «Taiwan-PC» auf der IFABO im Messezentrum auftreiben kann. Aus Platzmangel stellt ihn Fiala in der Schule auf und experimentiert dort herum. «Ich war vorher ein kleiner, unbedeutender Lehrer. Binnen weniger Monate bin ich in dieser Welt der Schule weltberühmt geworden.» Die Begeisterung im Lehrkörper kennt keine Grenzen und bald wird eine Sammelbestellung aufgegeben.

Die heiß ersehnten Geräte holt das Kollegium originalverpackt um fünf Uhr in der Früh am alten Frachtenbahnhof in der Sonnwendgasse ab. «Dann haben wir sie verteilt und um 8 Uhr waren wir pünktlich im Unterricht. Aber jeder hat sein Kastl itn Auto gehabt», erinnert sich Fiala an die Kinderjahre des Personal Computer. Um sich gegenseitig zu unterstützen, habe man einen Club gegründet, der zu den besten Zeiten 2000 Mitglieder hatte. Der Club hat auch Fido-Net angeboten, einen Vorgänger des Internet, bei dem die Botschaften in die USA schon ein paar Tage unterwegs sein konnten.

Noch ein Verein

Herr Fiala engagiert sich gern bei Vereinen. Neben dem ClubComputer ist er Mitglied bei Attac, dem Technologenverband, dem Hausbesitzerverband, dem Kuratorium für Presseausweise, beim ÖAMTC, dem Freidenkerbund und bei der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters, den sogenannten Pastafari. Und dem SK Rapid natürlich. Doch wie geht das zusammen, Religion Rapid und atheistischer Pastafari? «Das ist natürlich total widersprüchlich. Aber ich bin weder so ein religiöser Pastafari, wie ich ein religiöser Fußballfan bin. Ich bin begeistert von dem ganzen Umfeld und der integrativen Wirkung, das gefällt mir alles sehr gut. Ich bin auch kein Austria-Feind. Das kann ich gar nicht. Oder nur während eines Derbys. Aber nach dem Schlusspfiff ist das für mich vorbei.»

Eingebrockt habe ihm das alles sein Sohn, so Fiala. «Ich konnte mit Florian nicht so wirklich reden. Und er war wie infiziert von diesem Bazillus Rapid. Da musste ich etwas machen. Also habe ich versucht, etwas beizutragen. Ich dachte mir: Wenn ich diese ganzen Spieldaten von Rapid hätte ...» Der Verwalter des Rapidarchivs, Herr Pichler, hat dem pensionierten Lehrer gestattet, die historischen Daten von seiner Seite zu kopieren. Man ist mittlerweile gut befreundet. Fiala zolltPichler Respekt: «Wenn man sich vorstellt, was das für eine Arbeit gewesen sein muss, diese Daten zu erheben! Ich habe mir die also runterkopiert, in eine Datenbank eingepflegt, und daraus ist so langsam eine Statistikseite entstanden.» Natürlich hat es ihn gereizt, seine ehemaligen Unterrichtsgegenstände Webdesign und Programmieren auf einem anderen Level, in der Praxis, anzuwenden.

Er hätte es gern gesehen, wenn sich daraus in Zusammenarbeit mit dem Verein ein Online-Museum des SK Rapid entwickelt hätte, aber es hat sich bis dato nichts Konkretes ergeben. «Ich finde es schade, dass ein Verein, der sich auf so seine Tradition beruft, kein virtuelles Museum hat. Da hätte ich mich gerne eingebracht.» Seiner Liebe zu dem Verein tut das aber keinen Abbruch. Gemeinsam mit Sohn Florian besucht Herr Fiala wenn möglich alle Heimspiele von Kampfmannschaft und Reserve, dazu auch die Auswärtsspiele der Ersten. «Am Sonntag fahren wir nicht nach Altach, denn der Florian muss am Montag arbeiten.» Obwohl offiziell im Ruhestand, ist Fiala mit seinen diversen Projekten gut ausgelastet. Er verbringe den ganzen Tag vor dem Bildschirm. Aber er nehme sich Zeit für den Fußball. «Das ist auch sehr schön, weil ich mit dem Florian auf jedes Match gehen kann Er ist Autist und hat keinen stabilen Freundeskreis. Er braucht jemand, mit dem er dann darüber reden kann.»

Wenn der Geigerzähler tickt

Große Pläne für die Rapid-Statistikseite gibt es im Moment nicht. Moderner Schnickschnack wie Heatmaps interessiert Herrn Fiala natürlich schon, «aber wo kriege ich die Daten her? Als Techniker würde ich das sofort machen, es ist ja genial.» Die Frage, ob es Statistiken gibt, die wenig aussagekräftig sind, führt weg von den Datenbanken in philosophische Bereiche: «Auf der einen Seite kommen mir alle diese Statistiken sinnlos vor. Und dann auch wieder nicht. Man weiß ja vorher nichts. Jeder hat eine Vorstellung, wie sich ein Spiel entwickeln konnte, aber es kommt immer anders.» Den oft undurchschaubaren Erfolgsrhythmus von Teams vergleicht Fiala mit dem Geräusch eines Geigerzählers. «Ein Atom zerfällt, das findet irgendwann statt. Man weiß nicht, wann. Wann fällt ein Tor? Da glaubt man, man hört den Geigerzähler ticken. Man kann das Spiel nachher analysieren, aber man kann vorher nichts über den Zeitpunkt sagen. Das finde ich packend. Das Spiel verwandelt Hoffnungen oder Befürchtungen in Realitäten.» Es sind also die unkalkulierbaren, unscharfen Elemente, die den vermeintlichen Datenmenschen am Fußball am meisten fesseln.

Zum Schluss möchte Herr Fiala noch etwas loswerden. "Fiala" komme aus dem Tschechischen und heiße eigentlich Violett, entfährt es dem Rapidler mit einem schelmischen Grinsen. Seiner tschechischen Wurzeln sei er sich erst im letzten Jahrzehnt so richtig bewusst geworden. «Eigentlich erst, seitdem die FPÖ so einen aggressiven Anti-Ausländer-Wahlkampf macht. Ich habe überlegt und mir gedacht: Mensch, du bist ja der, von dem die reden' Ich bin in zweiter Generation eingewandert, habe die ersten Jahre hauptsächlich tschechisch gesprochen. Mit der Familie ging ich noch auf den Horr-Platz, der damals Tschechischer-Herz-Platz hieß, wo sie sich beim tschechischen Turnverein Sokol betätigt haben.» Daher identifiziere er sich irgendwie mit den Serben und Türken, die heute am Pranger stehen. Außerdem erklärt sich damit auch die Vereinsliebe des Herrn Fiala: «Die Tschechen sind ein geselliges Völkchen. Die waren alle bei fünf, sechs Vereinen.» Manches lässt sich einfach nicht wegintegrieren.

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Trotz Rapid Atheist: Franz Fiala, ein grün-weißer Fußballstatistiker mit breitem Horizont

Der Titel heißt übrigens: "Herr Violett in Zeitungen".