{"id":129689,"date":"2020-02-10T10:26:25","date_gmt":"2020-02-10T09:26:25","guid":{"rendered":"http:\/\/clubcomputer.at\/?p=129689"},"modified":"2020-02-10T10:26:31","modified_gmt":"2020-02-10T09:26:31","slug":"digitalisierung-und-industrie-4-0-im-oesterreichischen-bildungswesen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/clubcomputer.at\/2020\/02\/10\/digitalisierung-und-industrie-4-0-im-oesterreichischen-bildungswesen\/","title":{"rendered":"Digitalisierung und Industrie 4.0 im \u00f6sterreichischen Bildungswesen"},"content":{"rendered":"\n

Christian Schrack, Christian Dorninger, Sept.2019<\/em><\/strong><\/p>\n\n\n\n

Im Teil I<\/a> haben wir die Herausforderungen der Digitalisierung auf der Ebene 1, Schulverwaltung und der Ebene 2, E-Learning betrachtet. Im Teil II wollen wir auf die Digitalisierung in Form des Informatikunterrichts (Ebene 3) und des beruflichen Unterrichts (Ebene 4) eingehen, im Hinblick auf aktuelle Themenstellungen der Industrie 4. 0 und K\u00fcnstlichen Intelligenz. <\/em><\/p>\n\n\n\n

Teil 2: Herausforderungen <\/b><\/strong>der Berufsbildung<\/p>\n\n\n\n

A. Industrie 4.0 und berufsbildende Schulen<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

In der Ebene 3 und 4 (Teil 1) der Digitalisierung steht letztlich die Weiterbildungsbereitschaft engagierte Lehrpersonen der Informatik und entsprechender fachtheoretischer und fachpraktischer Gegenst\u00e4nde im Mittelpunkt. Weiterbildung ist hier nicht nur im klassischen Sinn zu sehen, sondern in der Motivation der Lehrpersonen Unterricht auf der H\u00f6he der Zeit anzubieten. F\u00fcr viele Lehrpersonen ist das Unterrichten die \u201efinale Berufung“, nachdem sie zuvor an entsprechender Stelle in der Wirtschaft gearbeitet haben. Die Zusammenarbeit mit Betrieben und terti\u00e4ren Einrichtungen der Region geh\u00f6ren daher an berufsbildenden Schulen zur Selbstverst\u00e4ndlichkeit. Das d\u00fcrfte zu den Vorz\u00fcgen der \u00f6sterreichischen Berufsbildung z\u00e4hlen, die auch international Beachtung finden. Wahrscheinlich gibt es in den Ebenen der Digitalisierung keinen Punkt in der Berufsbildung, der derzeit besser abgedeckt ist. Sorgen bereitet lediglich die h\u00f6here Dropout-Rate der Informatik-Sch\u00fclerinnen und -Sch\u00fcler gegen\u00fcber anderen Ausbildungen, der das BMBWF in Zukunft mit der Initiierung eines „Buddy-Systems“ <\/i><\/em>auf Schulstandortebene entgegenwirken will (Dorninger <\/b><\/strong>2018).<\/p>\n\n\n\n

Wenn die Industrie, das Bankwesen und der Dienstleistungssektor \u201eh\u00e4nderingend\u201c nach IT Fachkr\u00e4ften suchen, gilt es zu unterscheiden, ob hier IT-Expertinnen bzw.IT-Experten der Ebene 3 oder IT-Generalistinnen bzw. IT-Generalisten der Ebene 4 in der eingangs vorgestellten Aufstellung gefordert sind. Diese Unterscheidung ist auch im Hinblick auf die Herausforderungen der Industrie 4.0 zentral. Banken sprechen in diesem Zusammenhang von einem „T-Shape-Model“<\/i><\/em>, d.h. Personen die eine Tiefenqualifikation in Informatik oder speziellen Bereichen der Informatik wie Internet of Things, Big Data, Block Chain <\/i><\/em>und Cyber Securit<\/i><\/em>y haben (das w\u00fcrde dem senkrechten Balken des T entsprechen) und \u2013 wie im Fall der Banken\u2013auch Kenntnisse im Bereich des Bankenwesens (Querbalken des T) mitbringen.<\/p>\n\n\n\n

Zentrales Anliegen der Industrie 4.0 ist die Verkn\u00fcpfung der Produktions- und Wertsch\u00f6pfungsketten durch Digitalisierung. Zur Hebung weiterer Rationalisierungsreserven und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen sollen manuelle aber auch kognitive Routinet\u00e4tigkeiten in Hinkunft durch \u201eMaschinen\u201c erledigt werden. Durch die Digitalisierung gehen Arbeitspl\u00e4tze verloren und die Arbeit ver\u00e4ndert sich. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind Bestandteil der Diskussionen in den Arbeitsgruppen der \u201ePlattform Industrie 4.0\u201c, die mit der Wirtschaft, den Sozialpartnern und dem Bildungssektor gef\u00fchrt werden. Untersuchungen zeigen auch, dass Branchen, die bereits st\u00e4rker digitalisiert sind im 10 Jahresvergleich gegen\u00fcber anderen Branchen an Arbeitspl\u00e4tzen \u00fcberraschender Weise zulegen konnten (Streissler-F\u00fchrer<\/b><\/strong>, 2016). Die Aufgabe der Berufsbildung ist es jedenfalls f\u00fcr Zukunftsberufe auszubilden, womit wir zum Berufsbildung 4.0 Modell kommen.<\/p>\n\n\n\n

\"\"<\/a>
Abbildung 2: Arbeitsmodell Berufsbildung 4.0, Schrack 2017<\/figcaption><\/figure><\/div>\n\n\n\n

B. Berufsbildung 4.0 Modell<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

Zun\u00e4chst gilt es m\u00f6glichst fr\u00fch f\u00fcr Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (kurz MINT) zu begeistern (siehe linker Teil der Abbildung 2). Auch die Vermittlung basaler digitaler Kompetenzen aber auch das Denken in Algorithmen und Coding sollte bereits in den vorgelagerten Bildungsstufen beginnen. Da die Anzahl der m\u00e4nnlichen IT-Besch\u00e4ftigten die der weiblichen in der Wirtschaft um das Dreifache \u00fcbertrifft, sind gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft vonn\u00f6ten, um Frauen und M\u00e4nner gleicherma\u00dfen f\u00fcr diesen anspruchsvollen Arbeitsmarkt anzuwerben (Dorninger 2018). Die Beteiligung an entsprechenden Initiativen wie MINT G\u00fctesiegel f\u00fcr Schulen, MINT-3D-Druck und die Teilnahme an Lehrg\u00e4ngen f\u00fcr MINT-Lehrende k\u00f6nnen alle Schulen unterst\u00fctzen.<\/p>\n\n\n\n

In der Sekundarstufe II teilen sich die Wege der Digitalisierung in der Allgemeinbildung und der Berufsbildung besonders in der Ebene 3, der Informatik. In der AHS-Oberstufe sind in Summe zwei Wochenstunden Informatik in der neunten Schulstufe verpflichtend vorgesehen. An Standorten mit dem Wahlpflichtfach Informatikk\u00f6nnen weitere Wochenstunden dazu kommen.<\/p>\n\n\n\n

Das Angebot an Informatikstunden an berufsbildenden Schulen startet bei acht Wochenstunden verteilt auf f\u00fcnf Jahre. Je nach Schwerpunkt werden weitere Informatik orientierte Gegenst\u00e4nde angeboten. Spitzenreiter sind die angef\u00fchrten H\u00f6heren Lehranstalten und Handelsakademien mit Informatikschwerpunkt, die rund die H\u00e4lfte der in f\u00fcnf Jahren zur Verf\u00fcgung stehenden Unterrichtszeit dieser Ausbildung zur IT-Spezialistin bzw. zum IT-Spezialisten widmen. Das er\u00f6ffnet eine gute Vorbereitung auf die neuen Herausforderungen am Arbeitsmarkt, auch im europ\u00e4ischen Vergleich.<\/p>\n\n\n\n

An diesem Punkt schlie\u00dft auch die angesprochene Ebene 4 in der Berufsbildung an, die sich der Ausbildung von IT-Generalistinnen und IT- Generalisten widmet (siehe Abbildung 2, oberster Kasten). Dieser Personengruppe kommt im Hinblick auf die Querschnittmaterie Industrie 4.0 eine besondere Bedeutung zu. Dabei sind fast alle Berufsbereiche erfasst – vom prim\u00e4ren Sektor (Landwirtschaft, Precision Farming) \u00fcber Produktion (Maschinenbau, Mechatronik, Prozesstechnik) bis hin zum terti\u00e4ren Sektor (Internethandel, Tourismus).<\/p>\n\n\n\n

C: Fazit \u2013 Industrie 4.0 braucht eine starke Berufsbildung!<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

In den Zukunftsberufen geh\u00f6ren Industrie 4.0 und k\u00fcnstlich Intelligenz zu den zentralen Querschnittsthemen. Innovatives Denken und interdisziplin\u00e4res Teamwork bei Lehrenden wie Lernenden schaffen dabei gute Voraussetzungen. Innovationen an Schulen unterliegen besonderen Rahmenbedingungen, Abl\u00e4ufen und Ritualen, die Schulleitung gezielt f\u00f6rdern kann.<\/p>\n\n\n\n

  • Bei der Digitalisierung der Ebene 1, der Schulverwaltung gibt es durchaus Verbesserungspotential – die wesentlichen Bereiche wurden bereits angegangen. Ein universell einsetzbares, digitales Pr\u00fcfungssystem f\u00fcr schriftliche Leistungsfeststellung w\u00fcrde das \u201edigitale Paket\u201c mit Schnittstelle zum Verwaltungsbereich abrunden. Erste Pilotierungen der \u201eReife- und Diplompr\u00fcfung Digital\u201c sind erfolgreich verlaufen.<\/li>
  • Die Ebene 2, das E-Learning k\u00f6nnte nach rund 20 Jahren eine Auffrischung vertragen \u2013 \u00fcberlegenswert sind weitere Formen von Notebookklassen und das im Teil I angesprochene Peer Learning via Lernplattform.<\/li>
  • Die Ebene 3, der Informatikunterricht sollten nicht nur auf der H\u00f6he der Zeit erfolgen, sondern die zentrale Bedeutung dieses Gegenstands sollte sich auch in der Stundentafel niederschlagen. Das Denken in Prozessen, Algorithmen, Coding und Datamining sind sowohl f\u00fcr Industrie 4.0 als auch f\u00fcr K\u00fcnstliche Intelligenz unverzichtbar.<\/li>
  • Der Einsatz beruflicher Software (Ebene 4) in Fachtheorie und Fachpraxis erm\u00f6glicht wie angef\u00fchrt Aufgabenstellungen des jeweiligen Gegenstandsbereichs praxisnah zu l\u00f6sen. Neben der Frage der geeigneten Software gilt es sich dem Diskurs zu widmen, inwieweit der zeitgem\u00e4\u00dfen Technologieeinsatzes die bisher erwartenden \u201eanaloge Grundfertigkeiten\u201c der Lernenden verzichtbar macht.<\/li>
  • F\u00fcr aktuelle Themen wie Internet of Things, Big Data, Cyber Security <\/i><\/em>und K\u00fcnstliche Intelligenz k\u00f6nnen seit der SchUG-Novelle 2016 relativ unkompliziert Lehrbeauftragte aus der Industrie oder von Hochschulen geholt werden, das k\u00f6nnte nun umgesetzt werden.<\/li><\/ul>\n\n\n\n

    Im Rahmen der Digitalisierung bieten sich weitere spezifische Ans\u00e4tze f\u00fcr die Berufsbildung an: <\/p>\n\n\n\n

    • Mit Game Based Learning <\/i><\/em>und Virtual Reality<\/i><\/em> Ans\u00e4tze im Unterricht k\u00f6nnen „spie\u00adlerisch“ Fertigkeiten f\u00fcr die Praxis erworben werden. Die Virtualisierung erm\u00f6glicht vor allem in naturwissenschaftlichen und fachtheoretischen und fachpraktischen Gegenst\u00e4nden neue didaktische M\u00f6glichkeiten. Besonders spannende Lernanl\u00e4ssen bieten sich den Lernende der Oberstufe, wenn sie selbst an der Erstellung von Spielen und virtuelle Lernumgebungen beteiligt sind.<\/li>
    • Die Themen Industrie 4.0 und K\u00fcnstliche Intelligenz er\u00f6ffnen viele Querverbindungen zu anderen auch allgemeinbildenden F\u00e4chern. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen der Technikfolgenabsch\u00e4tzung, der gesellschaftlichen Ver\u00e4nderung und der Ethik.<\/li>
    • Die Digitalisierung ver\u00e4ndert die Berufsbilder in einem nie da gewesenen Ausma\u00df. Bildungskooperationen mit terti\u00e4ren Einrichtungen und Leitbetrieben der Region liegen hier auf der Hand.<\/li>
    • Dabei k\u00f6nnen sich zuk\u00fcnftige Absolventinnen und Absolventen von verschiedenen berufsbildenden Schulen im Rahmen von gemeinsamen, schul\u00fcbergreifenden Diplomarbeiten auf Themenstellungen der Industrie 4.0 vorbereiten.<\/li><\/ul>\n\n\n\n

      Der umrissene Innovationsprozess in der beruflichen Ausbildung der Ebene 4 entspricht dem Muster des Innovationsprozesses im E-Learning der Ebene 2: Pioniere sollten ihre Disziplin vortrefflich beherrschen und vorantreiben, m\u00fcssen Digitalisierung verstehen, aber nicht zwingend auch Informatikerinnen bzw. Informatiker sein. Weiters ist die Digitalisierung nicht als Aufgabe einzelner Lehrender zu sehen, sondern Teil der strategischen Herausforderung am Schulstandort. Dabei ist die \u00f6sterreichische Berufsbildung auf einem guten Weg.<\/p>\n\n\n\n

      Literatur<\/strong><\/h2>\n\n\n\n

      Dorninger et. al <\/b><\/strong>(2018): IT-Arbeitskr\u00e4fte Mangel, internes Arbeitspapier BMBWF<\/p>\n\n\n\n

      Pfeiffer <\/b><\/strong>(2016): Auswirkungen von Industrie 4.0 auf Aus- und Weiterbildung<\/p>\n\n\n\n

      Schrack <\/b><\/strong>(2019): Digitalisierung und Industrie 4.0 in der \u00f6sterreichischen Berufsbildung; in: Schulverwaltung aktuell; Wolters Kluver, K\u00f6ln<\/p>\n\n\n\n

      Streissler-F\u00fchrer <\/b><\/strong>(2016): Digitalisierung, Produktivit\u00e4t und Besch\u00e4ftigung, erstellt f\u00fcr BKA, Wien<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

      Christian Schrack, Christian Dorninger, Sept.2019 Im Teil I haben wir die Herausforderungen der Digitalisierung auf der Ebene 1, Schulverwaltung und der Ebene 2, E-Learning betrachtet. Im Teil II wollen wir auf die Digitalisierung in Form des Informatikunterrichts (Ebene 3) und des beruflichen Unterrichts (Ebene 4) eingehen, im Hinblick auf aktuelle Themenstellungen der Industrie 4. 0 […]<\/p>\n","protected":false},"author":1193,"featured_media":129713,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_et_pb_use_builder":"","_et_pb_old_content":"","_et_gb_content_width":"","footnotes":""},"categories":[1284],"tags":[],"class_list":["post-129689","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-unterricht"],"jetpack_featured_media_url":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-content\/uploads\/sites\/6\/2020\/02\/edu.jpg","_links":{"self":[{"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/129689","targetHints":{"allow":["GET"]}}],"collection":[{"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/users\/1193"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=129689"}],"version-history":[{"count":0,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/129689\/revisions"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/media\/129713"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=129689"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=129689"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/clubcomputer.at\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=129689"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}