Marie von Ebner-Eschenbach, Aphorismen

Wer bei einer akademischen Feier (Sponsion, Promotion) eine Festansprache des von mir sehr geschätzten langjährigen Rektors der Technischen Universität Wien (1991 – 2011), Univ. Prof. Dr. Peter Skalicky, gehört hat, der konnte sich sicher sein, dass er den Jung-Akademikern einen Auftrag erteilte: im ganzen Leben stets die Wissenschaft hochzuhalten, und das vor allem als Gegenpol zu den immer stärker werdenden parawissenschaftlichen und esoterischen Stimmen.

Rosenquarz als Briefbeschwerer

Beschäftigt man sich mit elektromagnetischen Feldern, so muss man mit besonders vielen Gegenstimmen rechnen, wobei auch Wissenschafts- und Technikangst eine Rolle spielen. Die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz wissenschaftlicher Erkenntnisse wird in Tagen, wo amerikanische Präsidenten sachlich überprüfbare Fakten mit dem Kommentar „Fake News“ einfach vom Tisch wischen, immer wieder in Frage gestellt; sachliche Diskussionen werden oft mit ideologischer Härte verhindert.

So kann beispielsweise eine „Strahlenschutz-Decke“ (€ 165) oder eine „Strahlenschutz-Mütze“ (unterschiedliche Modelle für Damen oder Herren, 35 – 45 €) käuflich erworben werden, ebenso wie ein „Harmonisierer“ gegen „Elektrosmog“ (€ 169). Die Problematik beginnt hier bereits bei der Begriffsdefinition: „Smog“ ist ein Kunstwort aus „smoke“ (Rauch) und „fog“ (Nebel) und stellt also aus physikalischer Sicht ein heterogenes Gemenge aus gasförmigen und festen (Rauch) bzw. gasförmigen und flüssigen Bestandteilen (Nebel) dar, also Materie. Das wiederum hat nichts mit elektromagnetischen Feldern zu tun, die keine Materie darstellen, sondern Energie.

Beim Bau des Krankenhauses Nord in Wien wurde an einen Esoteriker und „Energetiker“ ein 95.000-Euro-Auftrag zur Ausbildung eines „Rings zur Abwehr negativer Energien“ vergeben. Der Auftrag zog eine Untersuchung des Krankenanstaltenverbundes (KAV) nach sich, um die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die verantwortliche Managerin wurde abgezogen. Es wurden dienstrechtliche und mögliche strafrechtliche Konsequenzen sowie auch Schadenersatzforderungen geprüft.

Als „wirksames Mittel“ gegen „Elektrosmog“ werden in bestimmten Ratgebern auch Rosenquarz oder das Aufstellen von Kakteen gesehen. Die Wirkung wurde mehrfach untersucht – für naturwissenschaftlich Interessierte wenig überraschend, zeigten sich keine Unterschiede in den Strahlungswerten eines Raumes, ganz egal, ob Rosenquarze und/oder Kakteen im Raum vorhanden waren oder nicht. Würden Rosenquarz oder Kakteen elektromagnetische Felder tatsächlich „aufsaugen“ können – wie von manchen behauptet wird – so hätte man in solchen Räumen natürlich auch keinen Handyempfang. Eine amüsante Auflistung der Wirkung anderer Edelsteine findet man übrigens hier: https://www.sueddeutsche.de/wissen/bildstrecke-edelsteine-1.626227. (Wer übrigens LED-Fernseher hat, der kann auf den Rosenquarz verzichten *Ironie*; ich verwende eine Rosenquarz-Pyramide, die mir eine liebe Physikerin vor vielen Jahren mit einem Augenzwinkern geschenkt hat, als Briefbeschwerer – siehe Foto!).

Wen es interessiert: Es gibt auch „strahlen­absor­bierende“ Tapeten oder Wandfarbe zu kaufen.

Ich bin ja schon eine Zeitlang beruflich tätig und kann mich noch gut an die „Strahlenschutz-Filter“ für Röhrenbildschirme erinnern. Diese konnten an der Glasfront des Monitors befestigt werden und sollten die „schädlichen“ Strahlen absorbieren. Eine Tatsache ist, dass alle Röhren Röntgen-Strahlen erzeugen, da sie auf dem Funktionsprinzip beruhen, dass durch Hochspannung Elektronenstrahlen erzeugt werden, die auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigt werden und dann auf eine Gegenelektrode treffen. Geladene Teilchen erzeugen beim Auftreffen auf Metalle Strahlung (Bremsstrahlung). Bei Röntgenröhren ist dieses Phänomen ja sinnvoll; allerdings entsteht auch bei Röhrenmonitoren ein geringer Anteil an Bremsstrahlung (nämlich dann, wenn die Elektronen auf die metallische Lochblende auftreffen), der allerdings durch die Bleiglas-Frontscheibe weitgehend absorbiert wird. Weniger diskutiert wird die Tatsache, dass der Löwenanteil der Röntgenstrahlung seitlich austritt. Bei Röhrenbildschirmen war deshalb auch eine Abschirmung der Rück- und Seitenwände verpflichtend vorgeschrieben. Die „Filter“ haben also in erster Linie Licht absorbiert (natürlich handelt es sich hier um elektromagnetische Wellen); unter Umständen wurden Reflexionen und Blendwirkungen reduziert und ein besserer Kontrast erzielt. (Solche Filter gibt’s 2020 noch immer zu kaufen, aber man muss schnell sein: ich habe bei willhaben nur mehr wenige Positionen gefunden!)

Nur wenige Stimmen in den Medien wagen es, trotz Klagsdrohungen und Anfeindungen die Fahne der Wissenschaft hochzuhalten, so zum Beispiel der Blogger Christian Kreil, der sich in der Tageszeitung „Der Standard“ regelmäßig mit Homöopathen, Impfgegnern und Granderwasser-Enthusiasten (Zitat Standard, 13.04.2019) anlegt. Wer hier mehr lesen möchte, dem sei der Blog „Stiftung Gurutest“ ausdrücklich empfohlen (https://www.derstandard.at/diskurs/userblogs/stiftung-gurutest).

Das in der Überschrift dieses Kommentars verwendete Zitat ist auch das Motto der „Science Busters“, die seit 2013 in ihren unterhaltsamen Fernsehshows und Live-Auftritten Aspekte der Physik einem breiten Publikum näherbringen und dabei auch Kritik an parawissenschaftlichen Aussagen nicht scheuen. Gegründet wurde das Wissenschaftskabarett von Univ.Prof. Dr. Heinz Oberhummer (1941 – 2015, Professor für Theoretische Physik an der TU Wien), Mag. Werner Gruber (*1970, seit 2013 Direktor des Planetariums Wien sowie der Kuffner- und der Urania-Sternwarten) und Martin Puntigam (*1969, Kabarettist und Schauspieler); es wird heute nach dem Tod Oberhummers und dem Ausstieg Grubers mit anderen Protagonisten weitergeführt. Wenigen ist bekannt, dass Prof. Oberhummer auch Vorträge für Jugendliche gehalten hat, etwa bei der „Sommer­akademie“, die vom Verein zur Förderung begabter und hoch begabter Schülerinnen und Schüler in Niederösterreich seit vielen Jahren am Semmering veranstaltet wird (mein Sohn hatte das Vergnügen, ihn live zu erleben).

Eine deutsch-österreichische Initiative, die ich ebenfalls sehr schätze, ist die jährliche Verleihung des „Goldenen Bretts vorm Kopf“, eines Satirepreises für den größten unwissenschaftlichen Unsinn des Jahres im deutschen Sprachraum (https://goldenesbrett.guru; man beachte die Top Level Domain!). Der Negativpreis geht an Personen oder Institutionen, die mit wissenschaftlich widerlegten oder unsinnigen Behauptungen Medienpräsenz anstreben, Angst machen oder Geld verdienen wollen. 2018 wurde das Wiener Krankenhaus Nord ausgezeichnet, im Dezember 2019 bekam die Firma Grander das „Goldene Brett fürs Lebenswerk“.

Mir persönlich ist schon bewusst, dass viele Menschen (darunter auch Physiker) beim Thema „Felder“ ein Problem haben: Elektromagnetische Felder erschließen sich niemandem „unmittelbar“, da uns Menschen schlichtweg die Sinnesorgane fehlen, um Felder erkennen zu können; Felder sind unsichtbar und nur durch ihre (Kraft-)Wirkungen erlebbar.

Dazu kommt, dass die Wechselwirkung elektromagnetischer Wellen mit Materie ganz maßgeblich von der Frequenz abhängt. Frequenz f und Wellenlänge λ hängen über die Ausbreitungsgeschwindigkeit c zusammen:

λ · f = c

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit elektro­magne­tischer Wellen im Vakuum ist eine bekannte naturwissenschaftliche Konstante, die als Lichtgeschwindigkeit bezeichnet wird und laut CODATA den Wert 

c = 2,997 924 58 108 m/s

besitzt (also umgangssprachlich etwa 300 000 km/s).

Der Energieinhalt elektromagnetischer Strahlung ist durch die Formel E = h · (h.Plancksches Wir­kungs­quantum) gegeben, das bedeutet, dass Strahlung mit kleiner Wellenlänge einen hohen Energieinhalt besitzt, während Wellen mit großer Wellenlänge wenig Energie transportieren. (Übrigens erhielt Albert Einstein 1922 den Nobelpreis für seine Arbeiten über die Lichtquantenhypothese, in der diese Formel präsentiert wurde, und nicht für die Arbeiten über die Relativitätstheorie.)

So stellen elektromagnetische Wellen mit einem Wellenlängenbereich von ca. 400–800 nm sichtbares Licht dar, während Zentimeter- und Dezimeterwellen für Rundfunk, Fernsehen, WLAN, aber auch für den Mikrowellenherd etc. verwendet werden.          
Elektromagnetische Wellen mit Wellenlängen unter 10 nm sind als Röntgen-Strahlen bekannt, noch energiereichere Wellen entstehen bei radioaktiven Vorgängen als Gammastrahlen.

Es ist nachgewiesen, dass ionisierende elektro­magne­tische Strahlung (Röntgen- oder Gamma­strahlen) einen derart großen Energieinhalt aufweisen, um DNA-Moleküle zu zerstören. Die Gefährlichkeit nichtionisierender Strahlung (also zum Beispiel Mikrowellen von WLAN, Mobilfunk, Bluetooth und Wellen von Stromkabeln, elektrischen Geräten oder Hochspannungsleitungen) ist aber nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Tatsächlich belegt sind lediglich thermische Effekte, wie man sie etwa spürt, wenn man über längere Zeit mit dem Mobiltelefon am Ohr telefoniert hat. Da der menschliche Körper seinen Wärmehaushalt gut regulieren kann, sind schädliche Auswirkungen jedoch gering.

Heftig diskutiert wird aber über schädliche Auswirkungen und Krankheitsbilder, die über den Wärmeeffekt hinausgehen – immer wieder werden Symptome wie Kopfschmerzen, Tinnitus, Herz­beschwerden, Schlaflosigkeit, Müdigkeit und Erschöpfung genannt, oft auch mit dem Begriff „Elektrosensibilität“ zusammengefasst. Keine einzige wissenschaftlich durchgeführte Studie konnte diese Krankheitsbilden eindeutig auf die Exposition von Handystrahlen in Verbindung zurückführen.

2011 hat die WHO (Weltgesundheitsorganisation) elektromagnetische Strahlung, die von Mobiltelefonen ausgeht, als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. Auch zu dieser Annahme gibt es bis heute keine befriedigenden, wissenschaftlich haltbaren Studien.

Ein weiteres Problem stellt die Beweistheorie dar: Eine Hypothese kann nie bewiesen werden, sondern nur widerlegt. Anders formuliert: Es kann nur nachgewiesen werden, ob etwas eine Wirkung hat (d.h. falls die Hypothese „nicht krebserregend“ widerlegt werden würde) – und nicht, ob es keine Wirkung zeigt.

Das Maß für die Energieaufnahme im Körper nennt sich „spezifische Absorptionsrate“ – kurz SAR. Auf Anraten der International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP) sollte der SAR-Wert nicht mehr als 2,0 W/kg Körpergewebe betragen. Nach Herstellerangaben unterschreiten alle heute im Handel befindlichen Handys diesen Wert (Beispiele laut http://www.informationszentrum-mobilfunk.de: iPhone 11 Pro – 0,99 W/kg, Samsung Galaxy S10 – 0,48 W/kg). Neuere Smartphones haben zudem den Vorteil, dass der Verbindungsaufbau über die Standards UMTS und LTE strahlungsärmer ist als bei dem älteren GSM-Standard. Bei WLAN ist die Sendeleistung meist noch niedriger.

Was man noch tun kann, um die Energieaufnahme zu verringern, ist, Abstand zu halten. Laut Abstandsgesetz nimmt die Strahlungsintensität (Leistung pro Fläche) quadratisch mit der Entfernung ab, d.h. bei Verdoppelung der Entfernung sinkt die Intensität auf ein Viertel des ursprünglichen Wertes. Man muss ja das Handy nicht unbedingt in die Hosentasche stecken.

Unsinnig ist auch die Verwendung von „Strahlenschutzfolien“ oder „Strahlenschutz-Taschen“ für Smartphones. Das Mobiltelefon benötigt zur Aufrechterhaltung der Verbindung dann eine dauerhaft höhere Leistung – was auch zum schnelleren Entladen des Akkus führt.

Zum Schluss sei noch auf den Volksmund verwiesen: „Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben!“ In diesem Sinne wünsche ich allen einen entspannten Umgang mit den neuen Technologien und ein frohes neues Jahr!

Elektromagnetisches Spektrum (Quelle Wikipedia)
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