Die Dosis macht das Gift

…oder doch nicht?

Paracelsus hat entdeckt, dass die Wirkung einer Substanz von der Menge abhängt. Zu wenig wirkt nicht, zu viel ist schädlich und irgendwo dazwischen gibt es möglicherweise eine heilende Wirkung. Eine Schlaftablette kann wohltuend sein, eine ganze Schachtel eher nicht.

Hahnemann stellte dieses Prinzip auf den Kopf und trotzdem es für die Wirksamkeit seiner Homöopathie keinen anerkannten Nachweis gibt, hält sich seine Methode hartnäckig und erzeugt in den Kassen der Apotheken eine Art Körberlgeld. Ob die Homöopathie trotz ihrer Wirkungslosigkeit doch einen gewissen Zweck haben könnte, wird im Artikel „Die nützliche Wirkung des Nichts“ angedacht.

Medizin und Elektromagnetismus

Man muss Mediziner bewundern. Alles, was Natur und Naturwissenschaften anbieten, versucht Medizin in ihrem Repertoire an Behandlungsmethoden zu verwenden. Elektromagnetismus ist für sie eine ganz besondere Fundgrube.

Seit man die Wirkungen elektrischer, magnetischer und elektromagnetischer Felder kennt, sind sie aus der Medizintechnik nicht wegzudenken. Verfahren wie Elektrokardiogramm, Enzephalografie, Magnetresonanztomographie, Computertomographie, Elektrotherapie, Phototherapie, Ultraschalltherapie, Diathermie, HF-Chirurgie, Lasertherapie, Laser-Iridontomie, Laser-Skalpell, Galvanotherapie, Radiofrequenztherapie, Interferenztherapie, Kapsulotomie, Magnetfeldtherapie, Defibrillator u.v.a. nutzen physikalische Phänomene und werden zur Diagnose, Operation und Behandlung angewendet.

Gleichzeitig sind Mediziner auch in die Festlegung von Grenzwerten von Feldern involviert. In dieser Doppelrolle als Anwender und Berater kommt es aber zu Widersprüchen, die an die „Wirkung“ der Homöopathie erinnern.

In diesem Artikel geht es darum, zu zeigen, dass Felder desselben Frequenzbereichs in teilweise extremen Intensitäten für Heilzwecke (Diathermie) benutzt werden und gleichzeitig denselben Frequenzen in vergleichsweise geringen Intensitäten unterstellt wird, dass sie gesundheitsschädigend seien.

Diathermie, Mikrowellenherd, Mobilfunk (4G, 5G), WLAN und Bluetooth nutzen denselben Frequenzbereich um 2,4 GHz.

Aber der Reihe nach.

Ordnung muss sein

Wir wissen, dass das elektromagnetische Spektrum ein Kontinuum ist, die Frequenzen haben keine „Mascherln“. Würden nun einzelne Fachdisziplinen Frequenzen unkoordiniert verwenden, käme es zu unliebsamen wechselseitigen Beeinflussungen, und daher wird das gesamte Spektrum auf die involvierten Fachdisziplinen aufgeteilt.

In der Frage der Frequenzzuteilung zu verschiedenen Diensten herrscht – trotz einiger historisch und geografisch bedingter Ausnahmen – eine weltweite Einigkeit wie sie sonst selten anzutreffen ist. Man hat schon in der Anfangszeit der Nutzung elektromagnetischer Wellen erkannt, wie wichtig globale Festlegungen sind. Die ITU (Internationale Fernmeldeunion) ist eine UNO-Tochter mit Sitz in Genf und regelt seit 1865 alles, was mit elektromagnetischen Wellen zu tun hat. Alle kommerziellen, medizinischen, wissenschaftlichen, militärischen und privaten Nutzer elektromagnetischer Wellen bekommen in einem Frequenzplan in den verschiedenen Frequenzbereichen Ausschnitte zugewiesen, deren Nutzungsbedingungen auch noch weiter spezifiziert sein können. Bespiele: Flugverkehr, Rundfunk und Fernsehen, Schiffsverkehr, Blaulichtfunk, Meteorologie, Medizin, Satellitenkommunikation, Eisenbahnen, Amateure, Private, Radar, Mobilfunk uvam.

Wenn man hier ins Detail geht, ist es oft überraschend, wie sehr unser aller Leben – meist völlig unbemerkt – von der Anwendung elektromagnetischer Wellen durchsetzt ist. Mobilfunk ist nur ein kleiner Teil davon, der aber wegen seines Gebrauchs im Alltag stark wahrgenommen wird.

Eigenschaften der Wellen

Jede Frequenz aus diesem Kontinuum hat bestimmte Ausbreitungseigenschaften und interagiert mit der Umwelt in einer Weise, die mit der Wellenlänge in Zusammenhang steht. Wenn man eine gegebene Frequenz um die Hälfte erhöht oder erniedrigt, ändert das die Eigenschaft dieser Welle nicht wesentlich. Ein Mikrowellenherd benutzt die Frequenz von 2,455 GHz. Er würde aber auch mit 2 oder mit 3 GHz funktionieren. Aber er darf keine andere Frequenz benutzen, weil dieser Geräteklasse eben diese Frequenz zugewiesen worden ist. Die Frequenzen unter- und oberhalb werden wieder von anderen Diensten benutzt.

Weil nun aber jeder dieser Frequenzbereiche andere Eigenschaften hat, wird einem bestimmten Fachbereich, also zum Beispiel dem Schiffsfunk oder dem Militär nicht nur ein solcher Frequenzbereich zugewiesen, sondern sehr viele, die sich insgesamt auf das gesamte technisch nutzbare Spektrum verteilen.

Frequenzzuweisungen

Die folgende Punktwolke zeigt exemplarisch die zugewiesenen Frequenzbereiche für die vier Anwendungsbereiche Mobilfunk, Rundfunk & FS, Medizintechnik und Amateurfunk. Jeder Punkt markiert den Beginn eines Bereichs, in dem Funkverkehr für diese Anwendungen erlaubt ist. Die Bereiche überlappen nicht und befinden sich auf einer gedachten Linie. In der Darstellung sind sie nur zur besseren Unterscheidung auf vier Zeilen aufgeteilt worden.

Zuweisung von Frequenzbändern (hier als Punkte eingezeichnet) zu den Diensten Mobilfunk, Rundfunk, Medizin und Amateure.
Medium-, High-, Very High-, Ultra High-, Super High-, Extremly High-, Far Infrared-, Medium Infrared-, Near Infrared Frequncy
https://de.wikipedia.org/wiki/Frequenzband

Wesentlich ist, dass eine bestimmte Sparte nicht nur einen, sondern viele Frequenzbereiche zugewiesen bekommt, weil eben verschiedene Frequenzbereiche auch sehr verschieden mit der Umgebung interagieren.

Die Frequenzen werden nicht immer nur für die Kommunikation benutzt.

Zum Beispiel ist der Mikrowellenherd im Grunde ein Ofen, der die Eigenschaft der Mikrowelle nutzt, dass ihre Energie von Körpern absorbiert wird.

Auch die Medizin nutzt Hochfrequenz in der Diathermie zur Wärmebehandlung verschiedenster Erkrankungen.

Radar wieder dient zu Ortung von Objekten aller Art (Flugobjekte, Tierwanderungen, Wetterphänomene). Höchstfrequente Mikrowellen („Terahertzwellen“) sind die Grundlagen der Body-Scanner auf Flughäfen (nicht zu verwechseln mit hier nicht behandelten Röntgenstrahlen aus dem Bereich der ionisierenden Strahlen).

Nebeneinander

Das Nebeneinander von Funk- und Medizindiensten sieht man der folgenden stark vereinfachten Frequenztabelle.

 1,9 GHz UMTS Uplink
 2,1-3,6 GHz 5G
 2,1 GHz UMTS Downlink
 2,4 GHz Bluetooth
 2,4-2,5 GHz ISM-Band, lizenzfrei. Medizin
 2,4 GHz WLAN
 2,5 GHz LTE Uplink
 2,5 GHz Mikrowellenherd
 2,6 GHz LTE Downlink
 5,2 GHz WLAN
26-39 GHz 5G
60 GHz WLAN (geplant)

Dass die medizinischen Diathermiegeräte im selben Frequenzbereich wie Bluetooth oder WLAN arbeiten können, liegt an ihrer lokal beschränkten Wellenausbreitung, die mit den anderen Diensten nicht interferiert.

Wir sehen also, dass ganz unabhängig vom Mobilfunk es zahlreiche weitere Anwendungen der elektromagnetischen Wellen gibt, die aber unsere Aufmerksamkeit bei Weitem nicht so erregen wie die omnipräsente Mobilfunktechnik.

Diathermie

Wärmebehandlung gehört zu den ältesten Behandlungsmethoden. Der Körper selbst wendet sie in Form von Fieber zur Abwehr von Viren oder Mikroorganismen an. In unserem Haushalt gab es immer auch einen Thermophor. Allerdings erwärmt ein Thermophor immer nur die Haut und die Wärme muss durch Wärmeleitung ins Körperinnere vordringen.

Und genau dieses Problem löst die Diathermie. Der Begriff „Diathermie“ leitet sich vom griechischen „Wärmedurchdringung“ ab. Der Körper der Patienten wird elektromagnetischen Feldern verschiedener Frequenzen ausgesetzt. Hochfrequente Wellen erzeugen Wärme direkt im Gewebe und nicht nur an der Oberfläche.

Verwendet werden Frequenzen des ISM-Bandes (Industrial, Scientific and Medical Band).

  • Kurzwelle 13,56 MHz (11 m), 27,12 MHz, 40,68 MHz, Eindringtiefe 10-20 cm
  • Dezimeterwellen, UHF, 434 MHz (69 cm), Eindringtiefe 5-15 cm,
  • Mikrowellen 2,45 GHz Eindringtiefe wenige cm, Wassergehalt bestimmt Erwärmung
  • Infrarot (diese Frequenzen sind nicht genormt), wirkt oberflächlich.

Das folgende Bild zeigt drei Diathermiegeräte in verschiedenen Frequenzbereichen. Trotz sehr verschiedenem Aussehen ist der „Wirkstoff“ immer derselbe: Energie einer elektromagnetischen Welle.

Die angewendete Leistung ist 200-500 W, pulsierend bis 2.500 W. Salopp gesagt kann man sich eine Ganzkörper-Diathermie-Behandlung (Bild mitte) so vorstellen, dass man sich in einen etwas größeren Mikrowellenherd legt.

Die verschiedenen Frequenzen dringen verschiedene tief in den Körper ein. Infrarot wirkt nur an der Oberfläche, Kurzwelle dringt bis zu 20 cm in den Körper ein, die Mikrowelle liegt dazwischen. Die Wirkung der Wellen ist die direkte Erwärmung des Gewebes im Körperinneren. Bei Kurzwelle werden Gliedmaßen und Gelenke erwärmt, die Abstrahlung der Welle erfolgt kapazitiv oder induktiv (Bild links). Bei Mikrowelle wird der ganze Körper bestrahlt (mittleres Bild). Alle sich im selben Raum aufhaltenden Personen sind durch diese offene Abstrahlung einer gewissen Wellenleistung ausgesetzt, eine besondere Abschirmung ist aber nicht vorgesehen. Eine solche wäre auch nicht nötig, weil es sich um nichtionisierende Strahlung handelt und die Feldstärke sich mit der Entfernung rasch abschwächt.

Aber in der frequenzmäßigen Nachbarschaft der Diathermie-Geräte, nämlich bei 2,5 GHz senden unsere Mobiltelefone und die zugehörigen Basisstationen auf G4 (LTE) oder G5, und diesen Funkwellen wird Gesundheitsgefährdung unterstellt.

Die Diathermie verwendet Sendeleistungen bis 2,5 kW zur Erwärmung von Körperzonen im Abstand von wenigen Zentimetern zum Körper des Patienten. Diese Tiefenwärme verspricht Heilung, weil sie nicht oberflächliche wirkt, sondern im Körper selbst, ähnlich wie ein Mikrowellenherd. Würden diese Wellen als Nebenwirkung Tumore auslösen, müsstem die Patienten an dieser Stelle – ähnlich wie bei eine Operation – eine Einverständniserklärung abgeben, dass sie darüber informiert worden sind. Da das aber nicht der Fall ist, können wir davon ausgehen, dass Mediziner mit solchen Nebenwirkungen nicht rechnen. Die Energiedichte an einem Bett für Diathermie kann einen Spitzenwert von 2,5kW/m² haben.

Die sonstigen Funkanwendungen, also Mobilfunk (4G, 5G), WLAN und Bluetooth, erzeugen in Wohnräumen geringe Feldstärken, die man im Vergleich zur Wärmebehandlung fast schon als homöopathisch bezeichnen könnte. Aber anders als in der Homöopathie sind die Felder nicht Null sondern nur sehr klein, weil unsere portablen Geräte sie ja empfangen müssen. Ein üblicher Grenzwert für solche Felder ist 100µW/m².

Vergleichen wir nun die Leistungsdichte einer Diathermiebehandlung mit dem unserer Funkanwendungen, erhalten wir ein Größenordnungsverhältnis von 25.000.000 : 1 (2,5kW/100µW).

Wie sich das Mediziner vorstellen, dass dieselbe Energieform als WLAN in einem Büro schädlich und dieselbe Energieform in allerhöchster Dosis in einem Diathermie-Gerät das Gegenteil, nämlich heilend wirkt, erinnert an eine Art inverser Homöopathie und Mediziner scheinen in Teilbereichen auf solche logischen Anomalien anfällig zu sein.

Auch wenn die Diathermiebehandlung nur 20 Minuten dauert, muss man sich doch wundern, dass die enorme angewendete Leistungsdichte völlig gefahrlos – mehr noch – heilend wirkt, während das vergleichsweise extrem schwache Feld der Funkanwendungen Krankheiten hervorrufen soll.

Nach meiner Ansicht resultieren die empfohlenen Grenzwerte von 100µW/m² eher der Forderung nach Vermeidung gegenseitiger Beeinflussung (Elektromagnetische Verträglichkeit) der verschiedenen Funkdienste als einem Wert, bei dem Gesundheitsgefährdung zu erwarten ist.

Zusammenfassung

Sollte sich Paracelsus nicht geirrt haben, gilt, dass mehr von Etwas auch mehr und nicht weniger Wirkung hat. Dass es Menschen gibt, die daran glauben, dass weniger von Etwas mehr Wirkung zeigt, ist eine in keinem Experiment nachgewiesene Behauptung.

Ersetzten wir nun „Etwas“ durch elektromagnetische Wellen, sollte man dasselbe annehmen dürfen: keine oder nur schwache Wellen zeigen keine Wirkung, starke Wellen zeigen starke Wirkung. Eine Quelle mit einer Welle mit einer Frequenz kann man von einer Welle einer anderen Quelle mit derselben Frequenz nicht qualitativ unterscheiden. Das sind Grundsätze, die in der gesamten Funktechnik unbestritten sind. Ein stärkerer Sender ist leichter zu empfangen. Frequenzmäßig benachbarte Sender sind schwer voneinander zu trennen.

Nun sind elektromagnetische Wellen nichts anderes als bewegte Energie und wenn sie ausreichend stark sind, erwärmen sie Körper, in die sie eindringen. Deshalb sind bei leistungsstarken Funkanlagen Absperrungen vorgesehen, um Verbrennungen zu vermeiden.

Mediziner nutzen die Eigenschaft der Wärmeentwicklung durch elektromagnetische Wellen und setzen sie in Diathermiegeräten zur Wärmebehandlung mit teilweise extrem hohen Leistungen ein. Die dabei angewendeten Frequenzen sind dieselben, die die Funktechnik für die Übertragung von Signalen benutzt. Es besteht aber kein Wesensunterschied der Wellen eines Mikrowellenofens oder Diathermiegeräts und den Wellen eines Funkgeräts derselben Frequenz – sieht man von deren Amplitude ab.

Nun ist es widersprüchlich, dass gegen die Diathermiegeräte trotz ihrer hohen Ausgangsleistung keine sonstigen Bedenken bestehen, sehr wohl aber gegen gleichfrequente Funkwellen. die wir in unserem Alltag nutzen.

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