Ziaglbehm
Sie sind in Wien eine Legende, fast ein Mythos. Wir werden versuchen, folgende Fragen zu beantworten:
- Warum kamen sie?
- Woher kamen sie?
- Wer waren ihre Arbeitgeber?
- Was war ihre Arbeit?
- Was waren ihr gesellschaftlichen Beiträge?
- Was blieb von ihnen?
So etwa kann man sich einen Familienverband vorstellen, der im Bereich der vielen Ziegeleien auf den Abhängen des Wienerbergs und des Laaerbergs bis weit ins Wiener Becken hinein geschuftet hat:
Kinder waren meist die „Sandler“, die Frauen waren die „Ziegelschlägerinnen“, die Scheibtruhe eines der wichtigsten Arbeitsgeräte. Man war „Aufreiber“, „Einscheiber“, „Setzer“, „Brenner“, „Ausscheiber“ oder „Lader(in)“.
Mit dem extrem raschen Wachstum der Stadt (wir werden die Geburt unserer Stadt im Detail nachempfinden können) konnten weder die Infrastruktur noch die Gesetzgebung mithalten. Die Umwandlung des Feudalbesitzes in eine Aktiengesellschaft verschäfte die Bedingungen ins Unerträgliche. Durch einen Zufall wurden die Arbeitsbedingungen dem Arzt Victor Adler bekannt, und er lernte gemeinsam mit den Arbeitern, welche Kraft kollektives Handeln haben kann. Das folgende wohl berühmteste Bild zeigt Victor Adler am 1. Mai 1995 im Kreise der Ziegelarbeiter (alle in Schale) im Bereich des Laaerwaldes. Es war der erste arbeitsfreie Sonntag für die Ziegelarbeiter und gleichzeitig der Startschuss für den Boom der Gegend rund um den Laaerwald, der später „Böhmischer Prater“ genannt werden sollte.
Vieles, von dem ich erzählen werde, ist Euch natürlich bekannt; es ist mehr die besondere Zusammenstellung, die uns einen Überblick über unsere gemeinsamen Wurzeln geben wird, auch wenn wir selbst gar keine Ziaglböhm unter unseren Verwandten haben.
Es ist erstaunlich, wie groß die Auswirkungen dieser „Sklaven vom Wienerberg“ auf unsere heutige Gesellschaft sind und dass auch der heutige Wohlstand auf die Arbeit dieser Menschen zurückgeführt werden kann.
Man nannte sie auch „Böhmische Schwalben“, weil sie hier nicht sesshaft waren und gegen Jahresende wieder in ihre Heimatdörfer in Böhmen und Mähren zurückgekehrt sind. Man kann fast sagen, dass ein Großteil von ihnen nach den Weltkriegen wieder verschwunden ist und dennoch ist unsere Stadt nachhaltig durch sie geprägt worden, durch ihre Arbeit, durch ihre Leiden, durch ihre Sprache, durch ihre Lebensart.
Vortragender: Franz Fiala
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