In einem Artikel des Falter „Ungewisse Zeiten, klare Zahlen“ von Christa Cuchiero und Josef Teichmann findet sich ein Link zu einem YouTube-Video, das eine außergewöhnlich anschauliche Simulation epidemischer Modelle zeigt.
Der Autor dieser Simulation verweist ausdrücklich darauf, dass es weniger um die Darstellung realer Zahlen geht, sondern mehr um ein grundsätzliches Verständnis, welche Wirkung Maßnahmen haben, die wir zur Beschränkung der Epidemie anwenden, wie zum Beispiel Social Distancing, Quarantäne, Dunkelziffer, Messenveranstaltungen, Reisen, konsequente Befolgung der Maßnahmen usw.
Der Autor Grant Sanderson studierte Mathematik in Stanford und aus dem Video erfährt man, dass er in einer Bucht lebt. Sein Spitzname „3blue1brown“ beschreibt sein kreisförmiges Logo, das zu drei Viertel braun und zu einem Viertel blau ist; auch so ein Rätsel.
Aber Grant ist ein Top-Didaktiker, aber wenn man selbst nicht so ganz top in Englisch ist, kann man den extrem raschen Sequenzen vielleicht schwerer folgen.
Tipp 1: Über das Zahnrad Einstellungen -> Wiedergabegeschwindigkeit kann man Video langsamer ablaufen lassen.
Tipp 2: Es gibt eine deutsche Übersetzung des gesprochenen englischen Texts. Man klickt auf das Zahnrad Einstellungen -> Untertitel „deutsch“. Dann wird der gesprochene Text mit deutschen Untertitel hinterlegt.
Tipp 3: Bei den Links befindet sich die Datei simulation.zip. Entpackt man diese Datei am Desktop, erhält man die Datei simulation.srt. Die Dateiendung beschreibt eine Datei mit Untertiteln. Doppelklickt man die Datei, öffnet sich unter Windows 10 ein Text-To-Speech-Programm, das diesen Text ausspricht. Man kann aus verschiedenen Sprechern auswählen und kann das Gesprochene wie mit einem Recorder steuern.
Links
Simulation einer Epidemie (YouTube)
3Blue1Brown (Grant Sanderson), Homepage
3Blue1Brown (Grant Sanderson), Homepage YoutTube
Deutsche Übersetzung
Ich möchte Ihnen ein paar Beispielsimulationen vorstellen, die die Ausbreitung einer Epidemie modellieren.
Kürzlich gab es ein paar wunderbare, interaktive Artikel zu diesem Thema, darunter einen in der Washington Post von Harry Stevens und einen anderen von Kevin Simler bei Melting Asphalt.
Sie sind großartig, man kann mit ihnen spielen und sie sind sehr informativ.
Ich hinterlasse Ihnen die Links natürlich in der Beschreibung.
Nachdem ich sie mir angeschaut habe, hatte ich jedoch noch ein paar offene Fragen: Wenn z.B. Menschen voneinander Abstand halten wird die Ausbreitung natürlich langsamer verlaufen.
Doch was ist, wenn die Menschen überwiegend voneinander Abstand halten, aber dennoch zu einem
zentralen Ort gehen, z.B. in ein Lebensmittelgeschäft oder eine Schule?
Und was passiert, wenn man Angesteckte erkennen und isolieren kann?
Und was passiert wenn ein paar unerkannt bleiben, z.B. weil sie keine Symptome zeigen und somit auch nicht getestet werden?
Wie wirkt sich ein Austausch zwischen verschiedenen getrennten Gesellschaftsgruppen aus?
Und was ist, wenn Menschen anfangs einen Sicherheitsabstand einhalten, diesen dann aber irgendwann satt haben und damit aufhören?
Wir werden uns diesen Fragen noch widmen, aber lasst uns zunächst einmal schauen, wie diese Modelle überhaupt funktionieren.
Jede dieser Simulationen ist ein sogenanntes „SIR-Modell“. Das heißt, die Population wird in 3 Kategorien aufgeteilt:
Es gibt die, die noch angesteckt werden können;
die, die bereits infiziert sind
und die, die sich von der Infektion bereits wieder erholt haben.
Also jene, die nun immun sind und daher nicht mehr krank werden bzw. die Krankheit weiterverbreiten können.
Beschrieben habe ich das folgendermassen:
Für jede Zeiteinheit, die eine anfällige Person in einem gewissen Radius einer infizierten Person verbringt, gibt es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit der Ansteckung. Wir benutzen also physische Nähe als Repräsentation für Dinge wie Händeschütteln, das Berühren derselben Oberflächen, Küssen, Niesen und so weiter.
Nach einer gewissen Zeit erholen sich die infizierten Personen von der Infektion und können die Krankheit nicht mehr weiter verbreiten. Oder sie sterben daran, dann können sie die Krankheit auch nicht mehr weiter verbreiten. Daher redet man manchmal auch nicht von „erholt“, sondern von „entfernt“.
Folgendes sollte selbstverständlich sein, aber lassen Sie es mich bitte dennoch betonen: Das sind spielerische Modelle mit einer kleinen Population. Sie sind hinsichtlich der Komplexität von echten Menschen und größerer Populationen nicht repräsentativ. Ich bin kein Epidemiologe, daher rate ich, mit irgendwelchen Generalisierungen der Ergebnisse ohne genauere Betrachtung vorsichtig zu sein.
Ich glaube dennoch, dass diese Betrachtungen für Wissenschaftsinteressierte trotzdem wertvoll sein können und eine gute Möglichkeit darstellen, einfach mal ein wenig herumzuexperimentieren – auch wenn das auf eine sehr reduzierte Art geschieht. Besonders wenn die Alternative ist, sich auf die Schlagzeilen und Unsicherheiten zu verlassen.
Wir beginnen zunächst einfach und erweitern dann fortlaufend das Modell.
In den ersten Modellen sieht man zunächst ein zielloses Umherirren der Personen. Und die Infektionen folgen den eben dargestellten Regeln.
Also… Das sieht nicht so gut aus.
Es dauert nicht lange, bis beinahe jeder infiziert wurde.
Plausibilitätsprüfung: Was denken Sie wird passieren, wenn der Infektionsradius verdoppelt wird? Man kann sich darunter vorstellen, dass die Menschen einander häufiger treffen oder dass einfach mehr Leute zusammenkommen.
Es würde sich natürlich schneller ausbreiten, aber wie viel schneller? Tatsächlich ist der Effekt drastisch!
Bereits nach kurzer Zeit sind fast alle Person unserer kleinen Gesellschaft gleichzeitig infiziert.
Eine weitere Plausibilitätsprüfung: Was ist, wenn der Infektionsradius wieder die Originalgröße hat,
die Wahrscheinlichkeit einer Infektion aber halbiert wird?
Zur Erinnerung: In jedem Zeitabschnitt, in dem eine anfällige Person im Radius einer infizierten Person ist, gibt es eine bestimmte Ansteckungswahrscheinlichkeit. Standardmäßig habe ich diese als 20% definiert – aber dieser Wert wird jetzt auf die Hälfte (10%) reduziert.
Man kann sich das als besseres Händewaschen, in die Armbeuge husten oder sich weniger ins Gesicht fassen vorstellen. Wie Sie vielleicht erwartet haben, streckt dies die Kurve in die Breite. Sogar sehr deutlich, was aufzeigt, wie viel Einfluss Anpassungen bei der Hygiene auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit haben können.
Die erste Schlussfolgerung aus der Simulation, die man sich merken sollte, ist also, wie stark die Wachstumsrate von jedem der gegebenen Faktoren abhängig ist. Verhaltensweisen, welche die Anzahl an menschlichen Kontakten vervielfachen oder Ihr persönliches Ansteckungsrisiko halbieren sind nicht schwierig vorzustellen, aber die Auswirkungen auf das Tempo der Ausbreitung sind enorm.
Das Ziel ist normalerweise, die Anzahl der Todesfälle zu minimieren, welche hier einen gewissen Anteil der Personen der Kategorie „Entfernt“ ausmachen. Dieser Anteil ist jedoch keine Konstante. Wenn man an einen Punkt gelangt, an dem die Spitze der Infektionskurve zu hoch ist, also dort ist, wo eine Menge Leute gleichzeitig erkrankt sind, dann ist das der Punkt, an dem die verfügbaren Ressourcen des Gesundheitswesen überwältigt sind, was für eine schwere Krankheit die Sterblichkeitsrate erhöht.
Ich weiß nicht woher du kommst, aber in den meisten Städten verbringen die Menschen ihre Zeit nicht damit, wie betrunken durch die Stadt zu irren, wie im Modell angenommen.
Meistens gibt es eine gemeinsame Anlaufstelle, etwa einen Supermarkt oder eine Schule.
Wenn wir in unserem Modell solch einen zentralen Ort einführen, den alle Leute regelmäßig aufsuchen,
dann… Naja, sehen Sie selbst.
Ich fragte mich also, wie man einem solchen drastischen Effekt entgegenwirken kann?
Das werden wir uns in ein paar Augenblicken anschauen.
Ein anderes Merkmal das wir einbeziehen können, ist das Erstellen mehrerer Gemeinschaften, mit einem Austausch zwischen diesen.
In unser Simulation teilen wir jeder Person eine Wahrscheinlichkeit zu, mit welcher diese zum Zentrum in einem anderen Ort fährt und dort ihrer üblichen Routine nachgehen. Das ist also unsere neue Situation.
Und jetzt schauen wir, welche dieser Maßnahmen die Ausbreitung verlangsamen können.
Deutlich am effektivsten ist es, die infizierten Personen zu identifizieren und dann zu isolieren. Zum Beispiel durch zuverlässiges Testen und ein schnelles Reagieren. Wenn im Modell eine bestimmte Anzahl an Infizierten erreicht ist, schicken wir alle Infizierten einen Tag nach ihrer Ansteckung in Quarantäne. Das ist natürlich nur eine Vereinfachung einer realen Quarantäne; es muss sich nicht unbedingt eine Verlegung in eine traurige Box sein. Es ist nicht überraschend, dass diese Maßnahmen die Ausbreitung sehr schnell stoppen.
Aber was ist, wenn man als Kranker eine 20% Wahrscheinlichkeit aufweist, nicht in einer Quarantäne zu landen? Zum Beispiel, weil man keine Symptome zeigst, nicht getestet wird und somit seinen Alltag fortsetzt?
Wir illustrieren diese Personen ohne Symptome mit gelben statt roten Kreisen. Klarerweise wird der Effekt insgesamt zwischen einer vollständigen Quarantäne und dem Ergreifen keiner Maßnahmen liegen.
Aber wo genau würden Sie dies innerhalb des Spektrums ansiedeln?
Die höchste Zahl der Infektionen ist nur ein bisschen höher, aber die Kurve hat einen langen Ausläufer, da es viel länger dauert, alle Infektionen zu bemerken, sodass die Gesamtzahl der Infektionen insgesamt in etwa doppelt so hoch ist.
Das wird noch spannender, wenn man sich den Fall mit mehreren Gemeinschaften und einem Austausch zwischen diesen betrachtet. Es ist wiederum sehr effektiv, wenn man alle Fälle einer Infektion bemerkt und isoliert.
Aber was passiert, wenn 20% der infizierten Personen nicht in Quarantäne gelangen?
Auch hier wird wieder gewartet bis eine gewisse Anzahl an Personen infiziert ist, bevor die Quarantänemaßnahmen einsetzen und unsere Gemeinschaft Massnahmen ergreift.
Randnotiz: Es ist interessant, dass es, auch bei gleichbleibenden Parameter, bei einigen Durchläufen bis zu 3x länger dauert, bis dieser Punkt aufgrund des Gesetzes großer Zahlen erreicht ist.
Dieser Teil des Wachstums kann reiner Zufall sein, wie bei allen echten Krankheiten.
Diese löchrige Quarantäne lässt die Kurve zwar definitiv abflachen, aber der Ausläufer ist viel dicker und es dauert viel länger, alle Infizierten zu erkennen, sodass diesmal fast die Hälfte der Bevölkerung angesteckt wird.
Was glaubst du würde passieren, wenn nur 50% der Infizierten in Quarantäne kommen?
Wenn die Hälfte der Infizierten in Quarantäne kommen, bedeutet das nicht, dass die Hälfte der Gesamtbevölkerung erkranken wird. Da es immer noch so viele gibt, die die Krankheit ausbreiten,
bekommen wir eine Situation, die kaum besser als Nichtstun ist.
Eine zweite wichtige Schlussfolgerung ist, dass Veränderungen der Anzahl Personen, die von den Testmaßnahmen nicht entdeckt werden, einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Anzahl aller Infizierten hat.
Wenn wir uns erneut der Tatsache besinnen, dass eine frühe Separation von Angesteckten so effektiv ist,
wird einem eine interessante Folgeaussage bewusst: In gewisser Weise sind die tödlichsten Krankheiten aus einer globalen Perspektive häufig weniger gefährlich.
Erinnern Sie sich daran, dass diese Quarantäne-Simulation so geregelt ist, dass ansteckende Personen einen Tag nach ihrer Infektion an einen separaten Ort gebracht werden.
Wenn die Krankheit den Träger nach einem Tag tötet, sieht das Modell genau gleich aus. Ebendessen Interpretation fällt jedoch deutlich düsterer aus.
Die Krankheit ist furchtbar für die Betroffenen, aber sie wird nicht verstreut. Das heißt auch, dass die gefährlichsten Viren jene sind, die einen gewissen Teil der Bevölkerung töten, während sie jedoch bei anderen unbemerkt und ansteckend bleiben.
Oder noch verheerender: Wenn sie bei allen unbemerkt und infektiös sind, und erst danach ihre Letalität entfalten.
Einer der Hauptgründe, warum der SARS-Ausbruch im Jahr 2002 so gut eingedämmt werden konnte, war die Tatsache, dass bei fast jedem Infizierten Symptome feststellt werden konnten. Das machte ein Identifizieren und Isolieren von Betroffenen sehr einfach.
Eine etwas optimistischere Aussage dieser Simulationen ist, wie hilfreich eine frühe Behandlung sein kann. Wenn es eine antivirale Arznei gibt, welche Leute schnell aus der Kategorie „Infiziert“ schleusen kann, hat dies auf das Modell denselben Einfluss wie ein Isolieren der Betroffenen.
Gehen wir nun davon aus, dass wir nicht über weitreichende Tests oder antivirale Arzneien verfügen.
Nun, lasst uns einen weiteren Parameter hinzufügen: Die Neigung von Leuten, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Lasst uns diesen Faktor „Räumliche Distanzierung“ nennen. In diesen Animationen werde ich diesen als einen impulsiven, zwischenmenschlichen Trieb einbauen. Wenn sich die Bewohner zu nah an ihren Nachbaren fühlen, beginnen sie gelb zu glühen.
Das hat die traurige, aber auch etwas niedliche Folge, dass wenn sich unsere kleinen Männchen räumlich distanzieren, sich diese zum Rand ihrer Box bewegen und dort herumirren.
Eine perfekte Isolation gibt es jedoch nicht, daher kommt es hier und da auch zwischen sich ausweichenden Männchen zu einer Ansteckung. Der Punkt ist, dass diese Interaktionen viel seltener sind.
Lasst uns vier verschiedene Durchläufe anschauen.
In jedem von ihnen wird nach Erreichen der ersten 50 Fälle das „social distancing“ aktiviert. Oben links gilt dies für alle Beteiligten. Oben rechts gilt es für 90% der Bevölkerung, unten links für 70% der Bevölkerung, und unten rechts nur für die Hälfte der Bevölkerung.
Was denken Sie, wird passieren?
Wie Sie möglicherweise vermutet haben, wird die Krankheit sehr rasch beseitigt, wenn sich 100% der Menschen gegenseitig aus dem Weg gehen. Vollständig!
In allen vier Modellvariationen hilft, dass auch das teilweise verbreitete Einführen der Maßnahmen zum „social distancing“, erkennbar dabei, die Infektionskurve deutlich abzuflachen.
Wenn man jedoch die absolute Anzahl der Infizierten betrachtet, sowohl die Simulation, in der 70% der Menschen die Regeln einhalten als auch die Variante mit 90% eingehaltener Distanz, weisen am Ende eine Gesamtzahl an Infizierten von etwas unter 50% der Bevölkerung auf – was nur unwesentlich besser ist als das Modell mit 50%.
Wenn sich 90% der Personen voneinander fernhalten dauert es zwar deutlich länger, bis diese Zahl erreicht ist, aber augenscheinlich reicht es aus, dass 10% der Population die Regeln missachten, um das System ausreichend zu Destabilisieren, sodass das „Feuer der Krankheit“ eine lange Zeit über beständig weiterbrennt.
Ich möchte nochmals ausdrücklich betonten, dass es sich hierbei nur um spielerische Modelle handelt. Und ich möchte es der Intelligenz der Zuschauer überlassen, zu beurteilen ob das Verhalten jener kleinen Pünktchen tatsächlich widerspiegeln kann, was das Social Distancing tatsächlich für Sie und Ihr Leben bedeuten würde. Jemand der zu Hause vollkommen isoliert ist, muss nicht unbedingt durch das „zufällige herumwackeln“ seiner Nachbarn beeinflusst werden. Aber dennoch: die wenigsten von uns leben vollständig abgekapselt von allen anderen.
Insofern diese Modelle nicht komplett realitätsfern sind, lässt sich daraus eine weitere wichtige Botschaft schließen: Social distancing kann definitiv helfen, die Infektionskurve abzuflachen, aber selbst kleinere Imperfektionen können die Ausbreitung um eine ganze Zeit verlängern.
Lassen sie uns nun die Simulation mit 12 verschiedenen, abgetrennten Gemeinschaften, aber einem Austausch zwischen diesen betrachten.
Standardmäßig habe ich eingestellt, dass jeder Simulationsteilnehmer täglich eine 2%-ige Chance hat, das Zentrum einer anderen Gesellschaft zu besuchen.
Wenn wir jetzt ausprobieren was passiert, wenn sobald 100 Infektionen erkannt wurden diese Besuchsrate um den Faktor 4 reduziert wird (also 0,5%).
Was schätzen Sie wird passieren?
Die ehrliche Antwort? – Es kommt darauf an!
In manchen Durchläufen macht lässt sich kein Unterschied feststellen. Die Mehrheit jeder der Gemeinschaften infiziert sich irgendwann.
In anderen Fällen gibt es einige Gemeinschaften, die letztendlich vollständig gesund bleiben.
Allgemein gilt: je früher dieser Effekt ausgelöst wird, desto effektiver ist er.
Trotzdem ist die Schlussfolgerung aus diesen Simulationen, dass die Kontaktvermeidung zwischen verschiedenen getrennten Gemeinschaften kaum einen Effekt mehr hat, sobald die Gemeinschaften erst einmal infiziert sind.
Als Lösung ist das also sicherlich nicht alleine ausreichend.
Nebenbei: wird die Simulation mit größeren Städten (Gemeinschaften) durchgeführt, was den Effekt hat, dass die Mittelpunkte als verdichtete städtische Zentren wirken, lässt sich beobachten, dass sobald die Infektion ein solches Zentrum erreicht hat, sehr schnell auch alle weiteren Zentren angesteckt werden. Danach bereitet sich die Infektion dann langsam zu den Rändern der Gemeinschaften aus.
Lassen sie uns einen kurzen Moment Zeit nehmen, um zu überlegen, wie wir diese Ausbreitung quantifizieren können.
Stellen sich eine infizierte Person vor und zählen sie, wieviel weitere Personen sie ansteckt, während sie krank ist. Der Durchschnitt dieser Anzahl für jeden Erkrankten ist als Nettoreproduktionszahl R bekannt. Eine bekanntere Nummer ist R0, welche den Wert für R in einer vollkommen empfänglichen Population darstellt, wie etwa ganz am Anfang. Dies ist als Basisreproduktionszahl (R0) bekannt.
Sie haben vielleicht bereits festgestellt, dass die Simulationen alle eine kleine Beschriftung tragen.
Zur Berechnung dieser Zahlen wird jedes momentan infizierte Individuum betrachtet, gezählt, wieviele Andere durch sie bis jetzt angesteckt wurden, zusätzlich geschätzt, wieviele Personen sie insgesamt anstecken werden (basierend auf deren Krankheitsdauer). Zuletzt wird aus diesen einzelnen Zahlen der Durchschnitt ermittelt.
Wenn man sich zum Beispiel unsere erste Standardsimulation anschaut (ohne die weiteren Variationen), liegt R an der höchsten Stelle der Wachstumsphase bei etwa bei 2,2, bevor es wieder absinkt, sobald sich ein Sättigungseffekt in der Population ergibt.
Als wir dagegen den Infektionsradius verdoppelt haben, ist R sogar bis auf 8 angestiegen! Diese Faktor hat also einen riesigen Effekt auf die Wachstumsrate.
Gewissermaßen ergibt es allerding schon Sinn, dass R wirklich so hoch – bis 8 -angestiegen ist. Wenn man den Radius verdoppelt, befinden sich darin viermal so viele Menschen, die man anstecken kann. Als wir die Infektionsrate halbiert haben, bewegte sich R etwa um 1,3-1,7. Solange R größer als 1 ist, wächst die Infektion exponentiell. An diesem Punkt spricht man von eine Epidemie.
Wenn die Zahl stabil etwa 1 beträgt, nennt man eine Krankheit endemisch. Für unter 1 gilt, dass die Erkrankung abnimmt. Zum Vergleich: R0 für CoViD-19 wird auf etwas über 2 geschätzt. Was nahe dem Wert für R0 während der Pandemie der spanischen Grippe von 1918. Die gewöhnliche, jährliche Wintergrippe hat einen deutlich niedrigeren Wert, etwa 1,3.
Wenn wir in der Reisesimulation die Besuchsrate senken und zusätzlich „social distancing“ einführen, lässt sich ein schneller Abfall von R=2 beobachten.
Es gibt eine kleinere Verzögerung zwischen der Änderung der Parameter und dem Wert für R, da sie aufgrund der Anzahl der momentan Infizierten bestimmt wird, welche möglicherweise schon vorhanden waren, bevor die neuen Methoden eingeführt wurden.
Wie schon am Anfang erwähnt, ist eine der Sachen, auf die mich am meisten interessiert haben, der Effekt von einem geteilten, zentralen Ort wie zum Beispiel ein Supermarkt oder eine Schule
Bei der Einführung eines solchen Zieles für unsere kleinen Pünktchen steigt R0 tatsächlich bis maximal 5,8.
Das mag vielleicht ein bisschen unfair sein, da jeder genau auf den selben Punkt gesetzt wird und wir physische Nähe als Ersatz für Händeschütteln, Küssen, usw. einsetzen. Also sollten wir vielleicht berücksichtigen, dass Personen, die auf dieselbe Schule gehen oder im gleichen Supermarkt einkaufen gehen, vielleicht eine etwas geringere Wahrscheinlichkeit haben, sich gegenseitig anzustecken, als beispielsweise enge Freunde oder Bewohner des selben Hauses.
Um das zu berücksichtigen, wird die Infektionswahrscheinlichkeit hier nun vorsichtig halbiert. Tatsächlich halbiert dies auch R0.
Aber der Effekt der Einführung eines solchen zentralen Zieles bleibt drastisch. Lassen sie uns nun ausprobieren, was passiert, wenn nach Überschreiten einer gewissen Schwelle das Social Distancing aktiviert wird, die Leute aber weiterhin den zentralen Ort besuchen, wie zuvor.
Vielleicht ist es ihnen aufgefallen: Ein paar Pünktchen sind ihrem Käfig scheinbar entflohen, was eigentlich nicht passieren sollte.
Aber ich treffe die bewusste Entscheidung, dies nicht zu beheben.
Es ist, als hätten sie das Chaos im Inneren bemerkt und sich einfach gesagt: „Nein, ich will raus hier. Ich will nix damit zu tun haben“
Da ich in einer Bucht lebe, kann ich bestätigen: So reagieren manche Menschen bei einer „Bleib zu Hause“-Anordnung.
Wandernde Punkte mal beiseite:
Lassen sie mich zeigen, wie dieses Diagramm sich zum einen im Vergleich zum Kontrollmodell verhält, in dem keine Maßnahmen ergriffen wurden; und wie es sich zum anderen zu einer Situation verhält, in der zusätzlich zum gegenseitigen Abstoßen die Punkte noch aufhören, das Zentrum aufzusuchen.
Die Spitze der Infektionskurve liegt ein bisschen niedriger als bei der Kontrolle, aber auf die absolute Fallzahl bezogen vernichtet das Beibehalten des Zentrums die Effekte des Social Distancing.
Wagen sie jetzt doch eine Vorhersage:
Was schätzen sie als effektiver ein?
Ein Absenken der Besuchsfrequenz des zentralen Ortes zusätzlich zum Social Distancing,
Vielleicht etwa um den Faktor 5?
Oder eine erneutes Senken des Infektionsrisikos im Kreis um den Faktor 2?
Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass die Leute jetzt besonders darauf achten, regelmäßig ihre Hände zu waschen und sich nicht ins Gesicht zu fassen.
Die linke Simulation erfordert weitreichende Änderungen im Ablauf ihres Alltags von den Pünktchen. Wohingegen die Pünktchen auf der rechten Seite größtenteils ihren bekannten Gewohnheiten nachgehen können, aber deutlich stärker auf ihr Hygiene achten.
Tatsächlich haben beide Simulationen einen beinahe identischen Effekt, was mich überrascht hat. In Anbetracht der Tatsache, dass eines davon eine Verringerung um Faktor 5, das andere lediglich um Faktor 2 ist. Ich denke dies zeigt, dass die Einhaltung der Hygieneregeln wirklich einen großen Einfluss haben kann – was vielleicht einfacher gesagt als getan ist. Natürlich muss es kein Entweder-Oder sein.
Unser Ziel bei diesen Modellen ist es, aufzuzeigen, welchen Effekt eine Maßnahme auf einmal haben kann.
Falls ihr neugierig seid: So sieht es aus, wenn man Social Distancing anwendet, die Anzahl der Besuche an der zentralen Stelle einschränkt und zusätzlich die Infektionswahrscheinlichkeit senkt – Alles auf einmal!
Diese Kombination ist tatsächlich sehr effektiv.
Trotzdem möchte ich abermals betonen, dass der wohl wünschenswerteste Fall erreicht wird, wenn konsequent alle Infizierten erkennt und isoliert. Sogar in der Simulation mit zentralem Bezugsort,
welche eine sehr schnelle Verbreitung auslöst, wenn man nichts tut, können diese Maßnahmen die Epidemie verhindern und zusätzlich müssen unsere kleinen Pünktchen nichteinmal voneinander abgestoßen werden oder ihre Besuche am zentralen Ort aufgeben.
Nebenbei: In der echten Epidemiologie wird es deutlich anspruchsvoller als diese hier.
Mit Taktiken wie Kontaktnachverfolgung, bei der man nicht nur bekannte Fälle identifiziert und isoliert,
sondern auch das gleiche auch mit allen Kontaktpersonen der Infizierten durchführt.
In Angesicht des Zeitpunktes, an dem ich dieses Video veröffentliche, kann ich mir vorstellen, dass manche eine PSA (öffentliche Anordnung) zu Social Distancing erwarten. Aber ehrlich gesagt ist das nicht die wichtigste Aussage, die ich hieraus schließe.
Um das klarzustellen: Wenn es benötigt wird – wie momentan – rettet das Social Distancing auf jeden Fall Leben!
Und wie wir bereits gesehen haben:
Wenn die Leute schummeln oder sich weiterhin regelmäßig an einem zentralen Ort treffen, hat das einen überproportionalen Effekt auf die Anzahl der Fälle.
Die unangenehme Wahrheit ist jedoch: Solange die Krankheit weiter existiert kommt es sobald die Menschen wieder ihrem normalem Leben nachgehen – wenn es keine Maßnahmen existieren, die Fälle einzuschränken, so wenige es auch seien mögen – nach einiger Zeit zu einer zweiten Welle.
Nachdem ich alle diese Simulationen erstellt habe, ist die wichtigste Schlussfolgerung, die ich daraus ziehe, eine tiefe Anerkennung: Für richtig gemachte Krankheitsbekämpfung;
Für den übermäßig großen Wert von frühem, ausgedehntem Testen und der Fähigkeit Fälle zu isolieren; für Medikamente, um diese Fälle zu behandeln; und am wichtigsten: Wie einfach es ist, all diese Werte zu unterschätzen, wenn die Zeiten gut sind.
Ich schreibe diese Zeilen während einer Pandemie, in der einige Zuschauer sicherlich ein bisschen zu gut nachvollziehen können, wie sich die Punkte zitternd an den Rand ihrer Box zurückziehen.
Aber in der Zukunft werden dies anschauen während einer Pandemie, die nie stattfand. In einer Zeit, in der sich ein neues Pathogen hätte weit verbreiten können, wäre es unbeachtet geblieben. Das aber gefunden und schnell eingedämmt wurde. Da wären Pandemien, die sich nie in einem Geschichtsbuch wiederfinden würden. Was vielleicht der Grund ist, weswegen wir die Helden hinter der Eindämmung nicht ausreichend wertschätzen.
Dass wir in einer Welt leben, in der Reisen weit verbreitet ist und es belebte urbane Zentren gibt macht den Kampf gegen eine Krankheit zu einem Bergrennen – das ist vollkommen klar.
Aber genau dieses Ausmaß der Verbundenheit bedeutet, dass sich Ideen viel schneller verbreiten als je zuvor. Ideen, die zu Systeme und Technologien führen können, die solchen Ausbrüchen in den Arsch beißen können.
Das wird nicht von selbst passieren, und es ist klar, dass wir manchmal Fehler begehen. Aber ich bin grundsätzlich optimistisch, dass wir in der Lage sind, aus diesen Fehlern zu lernen!
Wie sie sich vielleicht vorstellen können, erforderte dieses Videos viele Stunden an Arbeit.
Ich baue keine Werbung am Ende der Videos ein und Youtube Videos zur Thematik der aktuellen Pandemie scheinen systematisch demonetarisiert zu werden, deswegen wollte ich die Chance nutzen und ein besonders warmes Dankeschön an alle richten, die meine Videos direkt über Pateron unterstützen!
Das macht wirklich einen Unterschied!
Weitergehende Links
Experiments with toy SIR models
Home page: https://www.3blue1brown.com
Brought to you by you: http://3b1b.co/sir-thanks
Awesome fan-made interactives:
https://prajwalsouza.github.io/Experiments/Epidemic-Simulation.html
https://learningsim.itch.io/pandemic-spread-simulation
Simulations by Harry Stevens at the Washington Post:
https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/world/corona-simulator/
Simulations by Kevin Simler at Melting Asphalt:
https://meltingasphalt.com/interactive/outbreak/
Excellent visualization of each country’s current growth from Minutephysics and Aatish Bhatia:
https://www.youtube.com/watch?v=54XLXg4fYsc
Another good interactive to see what effect various parameters have on the shape of the curve:
http://gabgoh.github.io/COVID/index.html
If you want to hear a mathematician/epidemiologist’s summary of COVID-19, I found this MSRI talk very worthwhile:
https://youtu.be/MZ957qhzcjI
Marcel Salathé on Contact Tracing:
https://twitter.com/marcelsalathe/status/1242430736944201730
These animations are largely made using manim, a scrappy open-source python library: https://github.com/3b1b/manim
If you want to check it out, I feel compelled to warn you that it’s not the most well-documented tool, and it has many other quirks you might expect in a library someone wrote with only their own use in mind.
The source code for this video is visible at the link below, but the, er, awkward part is that it was made on a branch of manim where I’m reworking a lot of other things and have yet to work out all the kinks or add any documentation, so I’m not entirely sure how easy it will be for others to get running. In either case, you should be able to easily see how all the simulations worked.
https://github.com/3b1b/manim/blob/shaders/from_3b1b/active/sir.py
Honestly, given that the code for that video is meant for demo purposes, and not meant to reflect the true data of COVID-19, if you want to apply these ideas to the current situation I’d recommend looking for more professional epidemiological modeling tools that are less centered around animations and pedagogy and more focused on accurate predictions. For example, the Institute for Disease Modeling has a lot of models free for people to look at and play with.
Opening music:
Candlepower by Chris Zabriskie is licensed under a Creative Commons Attribution license (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
Source: http://chriszabriskie.com/divider/
Artist: http://chriszabriskie.com/
Other music by Vincent Rubinetti.
Download the music on Bandcamp:
https://vincerubinetti.bandcamp.com/album/the-music-of-3blue1brown
Stream the music on Spotify:
https://open.spotify.com/album/1dVyjwS8FBqXhRunaG5W5u
If you want to contribute translated subtitles or to help review those that have already been made by others and need approval, you can click the gear icon in the video and go to subtitles/cc, then „add subtitles/cc“. I really appreciate those who do this, as it helps make the lessons accessible to more people.
3blue1brown is a channel about animating math, in all senses of the word animate. And you know the drill with YouTube, if you want to stay posted on new videos, subscribe: http://3b1b.co/subscribe
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Franz war pensionierter HTL Lehrer (TGM), Präsident von ClubComputer, Herausgeber der Clubzeitung PCNEWS und betreute unser Clubtelefon und Internet Support. Er war leidenschaftlicher Rapid Wien Fan. Er ist leider Anfang Jänner 2024 nach langer schwerer Krankheit verstorben.
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