WordPress im Wandel

Die vor wenigen Tagen automatisch installierte Version 5.9 von WordPress hat mich beeindruckt. Und da ich gleichzeitig ein uraltes Frontpage-Web reparieren sollte und mir Frontpage nicht mehr zur Verfügung stand und auch die Arbeitsschritte nicht mehr in Erinnerung waren, beschloss ich, das Frontpage-Web in eine WordPress-Version umzuwandeln. Das Arbeiten mit den Blöcken des neuen WordPress-Editors zeigte sich ale sehr flexibel. Die Bedeutung des Themas tritt in den Hintergrund. Das mitgelieferte Thema Twenty Twentytwo ist für grundlegende Anwendungen ausreichend flexibel und erlaubt Anpassungen, die bisher nur mit einem Wechsel des Themas möglich waren.

Warum ist WordPress so erfolgreich?

43% aller Internet-Seiten entstehen unter Mitwirkung von WordPress (Kinsta). Einer der Gründe ist die Zusammenarbeit eines eher unvollständigen Web-Betriebssystems mit angeschlossenem Editor mit einer unüberschaubaren Anzahl von Entwicklern von Themen und Erweiterungen (Plugins). Diese synergetische Marktpräsenz ist es, die die Popularität von WordPress begründet.

Es erinnert an die Anfänge von Windows. Auch Windows bietet praktisch nur ein Gerüst für eine große Zahl von Anwendungen und man muss Windows – wie WordPress – als eine solche riesige Interessensgemeinschaft einer großen Zahl von Herstellern verstehen.

WordPress = WordPress + Thema

WordPress trennt Inhalte vom Aussehen. Das Aussehen wird im Thema festgelegt. Kaum ein WordPress-Web kommt mit den mitgelieferten Themen aus.

Ein Thema verändert das Aussehen, gibt dem Benutzer aber wenig Spielraum, etwas zu verändern. Und wenn man dann doch etwas verändern will, landet man rasch im PHP-Code. Die Flexibilität liegt weniger in der Anpassbarkeit eines Themas sondern in der riesigen Zahl von Themen, die man als Zusatzprodukt zu WordPress erwerben kann.

Ein einmal gewähltes Thema verhält sich hinsichtlich einer Abänderung nicht sehr flexibel und es erfordert weitere Plugins, um eine Seite moderner erscheinen zu lassen.

WordPress-Editor

Der Editor in WordPress war lange Zeit eine vereinfachte Version eines typischen Texteditors mit seinen typischen Buttons zur Bearbeitung des Texts. Dieses Konzept ist für einfache Artikel ausreichend. Für komplexere Webseiten besitzt aber der Editor keine geeigneten Werkzeuge, und man muss sich mit Plugins behelfen, die bei Aktivierung das Aussehen des Editors verändern.

Klassischer WordPress-Editor

Aufwändigere Themen integrierten daher besondere Editoren, die den Anforderungen des modernen Layouts von Webseiten besser entsprechen.

Website-Builder

So genannte Website-Builder nutzen die Gestaltungs-Schwächen von WordPress als Geschäftsmodell. Die Inflexibilität der Themen und der veraltete Editor von WordPress lassen Website-Builder wie zum Beispiel Divi und Elementor grundlegende Gestaltungsfunktionen einer Website übernehmen und versetzten damit den Benutzer in die Lage, auch ohne Programmierkenntnisse anspruchsvolle Ansichten zu erstellen und gestaltend in den Aufbau einer Seite eingreifen zu können.

Die Seite von ClubComputer nutzt den Websitebuilder Divi.

Um diese Gestaltungsvorgänge dem Benutzer zur Verfügung zu stellen, entstand in den Website-Buildern ein Repertoire von „Blöcken“, die komplexen HTML-Code für einen bestimmten Abschnitt einer Seite erzeugen ohne, dass der Benutzer diesen Code sieht.

Ein Website-Builder ersetzt den Editor von WordPress punktuell oder vollständig. Wenn man allerdings diese weitergehenden Layout-Möglichkeiten nutzt, ist man in einem viel größeren Ausmaß auf den Webseite-Builder angewiesen als das bei einem Thema der Fall ist. Ein Wechsel oder ein Abschalten des Website-Builders ist nur mit einem sehr großen Aufwand möglich.

Auch diese Situation erinnert ein wenig an die Entwicklung von Windows. In der Zeit der ersten Attacken durch Viren entstanden viele externe Schutzprogramme (Virenscanner, Firewalls) und PCs wurden ganz selbstverständlich mit vorinstallierten Produkten ausgeliefert. Nach und nach zog Windows nach und präsentiert sich heute mit einem sehr guten Schutz durch den Defender und die Firewall. Die Bedeutung der Zusatzprogramme wurde zurückgedrängt.

Mehr als bei einem Thema entsteht bei einem Website-Builder eine große Abhängigkeit von einem zweiten Hersteller. Es ist daher verständlich, dass es der Anspruch von WordPress wurde, diese neuen Gestaltungstrends auch selbst zu implementieren.

Blockeditor – Seite

WordPress publizierte mit Version 5.0 den Block-Editor „Gutenberg“.

Ein Block-Editor zerteilt das Problem des Editierens komplexer Webseiten in überschaubare Blöcke und beschränkt die Bearbeitungswerkzeuge in jedem Block auf jene, die für den Blocktyp notwendig sind.

Blockeditor von WordPress.
links: Blockverzeichnis,
mitte: Editor mit Kontextmenü „Absatz“,
rechts: weitergehende Konfigurationen zum Block „Absatz“

Bis zur Version 5.7 wurden die Fähigkeiten des Editors schrittweise erweitert, doch die Abhängigkeit vom starren Themenkonzept blieb zunächst noch bestehen. Seit Version 5.7. mutierte bisherige Widgets und Menüs zu Blöcken und werden arbeitstechnisch genauso behandelt wie ein Absatz oder eine Überschrift.

Um die Kompatibilität zur bisherigen WordPress-Welt zu wahren, sind diese neuen Fähigkeiten auch an neue Themen gebunden. Wenn das Thema diese neue Technologie nicht unterstützt, schaltet WordPress automatisch die früheren Bearbeitungswerkzeuge ein. Das erste Thema, das ohne Widgets auskommt, ist Twenty Twentyone.

Blockeditor – Website

Die Version 5.9 aber, die in diesen Tagen erscheinen ist, öffnete ein Tor in eine neue Welt. Erstmals konnte man die Blöcke nicht nur auf den Inhalt eines Beitrags oder einer Seite verwenden, ab sofort kann die gesamte Seite, also auch der Kopf- und Fußbereich mit dem Blockeditor bearbeitet werden. Es kommen Blöcke wie Header, Footer, Seitentitel, Navigation. Seiten-Icon zur Anwendung. Die Bedeutung des Themas nimmt ab.

Das mitgelieferte Thema Twenty Twentytwo präsentiert sich wie folgt:

Neuestes Thema Twenty Twentytwo

Es ist bemerkenswert, dass dieses Thema praktisch keine PHP-Dateien mehr enthält (aus Kompatibilitätsgründen gibt es eine leere Datei index.php und die Datei functions.php). Die gesamte Formatierung einer Seite erfolgt in Html-Dateien.

Dieses Standardthema wurde nun bearbeitet und man sieht am folgenden Bild, dass man es in weiten Grenzen verändern kann.

Ganzseiteneditor erlaubt die Bearbeitung von Kopf und Fußteil inklusive Menü
links: Seitenstruktur

Weitere Themen

Das mit WordPress mitgelieferte Thema, das diese Technik erstmals unterstützt, ist Twenty Twentyone. Durchsucht man die Themen auf der WordPress-Seite nach „5.9“ (https://de.wordpress.org/themes/search/5.9/), findet man neben dem mitgelieferten Thema die Themen Tove, Tendo, One und One Minimal.

Eine weitere Möglichkeit ist die Auswahl des Features „Full-Site-Editing“ bei der Suche nach Plugins:
https://wordpress.org/themes/tags/full-site-editing/.

Von Plugins zu Blöcken

In der Vergangenheit hing das Aussehen einer Seite vom Einsatz zusätzlicher Plugins ab. Oft wurde dazu auf einer WordPress-Seite ein Shortcode eingebaut, der dann durch das Plugin in Html umgewandelt wurde.

Diese Zeit ist mit dem Block-Editor vorbei. So, wie man früher Plugins installiert hat, wird man zukünftig Blöcke oder Block-Bibliotheken installiert. Es gibt heute schon eine Menge davon.

WordPress bietet eine Grundausstattung an Blocktypen und eröffnet damit einen Markt für Fremdhersteller. Damit man sie besser finden kann, werden manche Blocksammlungen andersfarbig dargestellt. Und damit man durch die große Zahl nicht verwirrt ist, kann man bei manchen Sammlungen unbenutzte Blocktypen ausblenden.

Mit der Bearbeitbarkeit der ganzen Seite durch WordPress werden sich die Hersteller von Themen und Website-Buildern umstellen müssen.

Blockbibliotheken

In einer Fortsetzung dieses Beitrags werden drei Webs vorgestellt, die mit dem neuen Ganzseiteneditor erstellt worden sind.

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