Anonym oder öffentlich?

Je mehr Daten wir sammeln, desto weniger sind öffentlich verfügbar; so scheint es wenigstens.

In diesem Beitrag werden Zeiten abseits des Datenschutzes vorgestellt und wie man in den dortigen völlig freien Daten wühlen kann. Weiters wird ein digitalisiertes Telefonbuch vorgestellt, das den Mitgliedern von ClubComputer über den cc|drive zur Verfügung steht.

Heutige Anonymität

Den Vogel des verordneten Datenschutzes hat wohl Wiener Wohnen abgeschossen, als ungefragt alle Namensschilder in anonyme Nummern umgewandelt hat. Denn den „Datenschutz“ kann sich doch jeder Mieter selbst „konfigurieren“, indem er seinen Namen stehen lässt, oder eben nicht. Dass so etwas „von Amts wegen“ über die Köpfe der Betroffenen hinweg verordnet wird, erinnert eher an den Großen Bruder als an Datenschutz.

Die Zeiten. als man wusste, wer der jeweilige Nachbar ist, sind vorbei. Wenn dereinst unsere Nachfahren sich darüber informieren werden, wo ihre Vorfahren gelebt haben, werden sie im Dunklen tappen, weil unsere Zeit zwar einerseits mehr Daten erfasst als jede Epoche davor, doch sind diese Daten irgendwo in Ministerien gespeichert und öffentlich nicht zugänglich.

Man ist einsam in einer Gegend, in der der Name „Top“ der einzige Name überhaupt ist.

Wienbibliothek im Rathaus

https://www.digital.wienbibliothek.at/

Unsere Gegenwart ist viel schlechter dokumentiert als unsere Vergangenheit. Den Beweis liefert die Wienbibliothek im Rathaus. Sie stellt historische Adressverzeichnisse für jedermann zur Verfügung.

Ein digitaler Rundgang durch die anderen „Säle“ dieser Bibliothek lohnt sich! Wir beschränken uns hier auf die Adressbücher.

Adressbücher

https://www.digital.wienbibliothek.at/wbr/nav/classification/2612506

Es gibt unter den Adressbüchern drei Unterkategorien:

Adressbücher und Branchenverzeichnisse

Diese Dokumente betreffen hauptsächlich das 18. und 19. Jahrhundert

Häuserschematismen und Straßenverzeichnisse

Auch diese Dokumente stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die jüngsten Häuserverzeichnisse stemmen aus dem Jahr 1908- In „Das Buch der Häuser und Hausbesitzer Wiens: 11“ fand ich, wer das Haus meiner Großeltern und Eltern in der Lorystraße 17 in Simmering in diesem Jahr besessen hat.

Besitzer des Hauses Lorystraße 17 im Jahr 1908

Das Haus meiner Großeltern und Eltern in der Lorystraße 17 gehörte im Jahr 1908 Herrn Josef Müller. Eine weitere interessante Adresse ist das Gasthaus in der Kopalgasse, ein beliebter Treffpunkt der Simmeringer Tschechen. Es gehörte bis in die jüngere Vergangenheit der Famile Švagerka. Im Test steht aber (falsch) „Schwogerka“.

Lehmann

Früher war alles anders. Seit 1848 gibt es genaue Verzeichnisse von den Menschen, die diese Stadt Wien ausmachen. Adolph Lehmann gründete 1859, also kurz nach dem Revolutionsjahr, das „Allgemeine Adreß-Buch Wien und dessen Umgebung“. Es erschien zwischen 1859 uns 1942 und wurde danach eingestellt. Der erste Nachkriegsjahrgang erschien 1949 im Herold-Verlag und wurde 1979 (aus Datenschutzgründen) erneut eingestellt.

Der „Lehmann“ ist eine Fundgrube für Ahnenforscher und Historiker. Da alle Ausgaben digitalisiert und durchsuchbar sind, ist er auch für Amateure ohne großen Aufwand nutzbar.

https://www.digital.wienbibliothek.at/ -> Adressbücher -> Lehmann

Man findet zwei Versionen, die zweite ist durchsuchbar.

Hier erfährt man – neben vielen weiteren interessanten Details – die Namen der Wohnungsmieter zwischen 1859 und 1942. Meine Großeltern hießen „Kvaček“. Statt mühsam zu blättern, kann man im Lehmann nach beliebigen Begriffen suchen.

Von den vielen Treffern habe ich zwei ausgesucht: Im linken Bild wird meine Großmutter Julie Kvaček1925 mit ihrer Gemischtwarenhandlung in der Sedlitzkygasse 42 (Ecke Grillgasse) gefunden. Das rechte Dokument aus dem Jahr 1947 beschreibt, dass das Gericht die Wiederaufnahme des Vereinsbetriebs des im März 1938 verbotenen tschechischen Turnvereins Sokol erlaubt. Die Vereinsvertreter sind Franz Kvaček (mein Großvater) und Leopold Kalenda (ein Jugendfreund meines Großvaters).

Verkehrter Lehmann

In einigen Jahrgängen gibt es auch Hausverzeichnisse mit den Namen aller Bewohner der Häuser. Das ist natürlich für einen Amateurhistoriker eine Sensation. Ich lebte seit meiner Geburt bis 1983 in der Lorystraße 17 in Simmering und kenne die Namen der Parteien, die damals nicht „Top“ sondern „Weidmann“, „Kvaček“, „Fiala“ usw. hießen. Hier ein Blick auf die Parteienliste aus dem Jahr 1942:

Hauptmieter in der Lorystraß1 17 im Jahr 1942

Ich kenne fast alle diese Namen und auch die Personen sind mir noch in guter Erinnerung. Mein Großvater Kvaček Franz war 1942 schon 15 Jahre lang kein Schlosser mehr, aber mit solchen Fehlern muss man in solchen Verzeichnissen rechnen.

Noch ein Blick auf den eigentlichen Einwanderer in Wien, meinen Großonkel Johann Pohan. Auch hier ist ein Schreibfehler im Namen (’nn‘ statt ’n‘), und es gibt auch jüngere Jahrgänge des „Lehmann“ in denen das berichtigt worden ist

Lebensmittelgeschäft meines Großonkels in der Quellenstraße in Favoriten im Jahr 1910

Die Geschichte dazu erzählte meine Tante Ludmilla: mein Urgroßvater Bartholomäus Pohan war Zimmermann in Nová Cerekev im Bezirk Pelhřimov (Pilgram) in Mähren. Er verunglückte an einer Baustelle und hinterließ seine Frau Barbara und 6 Kinder (Johann, Maria, Božena, Ludmilla, Anna und Julie). Johann, der Älteste, ging nach Wien und gründete das Lebensmittelgeschäft in der Quellenstraße. Im Jahresabstand kamen die Mädels aus der Provinz nach und lernten in dem Geschäft deutsch und dann gings auf ins Leben. (Sie heirateten zwei Schneidermeister, einen Lebensmittelhändler, einen Beamten und meine Großmutter Julie einen Schlosser, sie selbst war Lebensmittelhändlerin). Aber allen gemeinsam war die Lernwerkstatt „Quellenstraße 22“.

Wiener Telefonbuch

In den 1950er Jahren bekamen meine Eltern ein neues Geschäft mit einem Telefon. Das war schon was! Nur wohnten wir einen Kilometer weiter weg. Wenn also telefoniert werden sollte, musste man ins Geschäft gehen. Dann, in den 1960er Jahren kam endlich das Vierteltelefon in die Wohnung. Großartig! Und gleich im nächsten Jahr wurde kontrolliert, ob der Eintrag im Telefonbuch erfolgt ist. Ja, war er, und die Freude war groß! Man war im Telefonbuch!

Auch damals schon gab es „wichtigere“ Menschen, die gegen eine Gebühr eine Geheimnummer kauften, um ja nicht im Telefonbuch angeführt zu sein. Mein Onkel gehörte dazu, er war Schuldirektor.

Wer heute im Herold eine Person sucht, wird enttäuscht. Im Büro von ClubComputer wäre das oft hilfreich. Da zieht jemand um, die PCNEWS kommt zurück ins Clubbüro, und es ist nur selten möglich, die neue Adresse des Mitglieds herauszufinden.

Ich habe Sehnsucht nach einem klassischen Wiener Telefonbuch, und Michael hat mich erhört! Nicht der Erzengel, der reale Michi, der sich die Mühe gemacht hat, die Ausgabe 1999 des Wiener Telefonbuchs einzuscannen und auch gleich als durchsuchbare PDF-Datei abzuspeichern. Eine Großtat, für die wir ihm alle danken, denn diese PDF-Datei befindet sich ab sofort im Verzeichnis clubintern\buecher\Telefonbücher\1999 im drive.ccc.at. Ein Schwergewicht mit 2 GB.

Diese Ausgabe 1999 hat den Vorteil, dass der überwiegende Teil der Nummern noch Festnetznummern war, denn erst mit den Mobiltelefonen wurden die automatischen Einträge eingestellt. Ich habe es gleich kontrolliert: „Franz Fiala, SIccardsburggasse“ ist im Verzeichnis nicht enthalten.

Ein weiteres „Fundstück“ ist eine Telefon-CD aus dem Jahr 2006, zu finden als ISO-Datei unter clubintern\buecher\Telefonbücher\2006

Eigentlich müsste die Post über alle diese Verzeichnisse verfügen, und man könnte meinen, dass nach 70 Jahren man die Telefonbücher von 1951 irgendwo herunterladen könnte. Leider ist das nicht so, vermutlich verhindert auch das der Datenschutz.

Wer aber Familienforschung betreiben will, dem steht mit dem „Lehmann“ und mit unserem neuen Schatz, einem ziemlich aktuellen Telefonbuch eine Quelle zum Suchen historischer Daten zur Verfügung.

Offizielle Auskunft aus Meldeunterlagen

[Kommentar aus Facebook von Franz G.]

Was ich auch schon genutzt habe: Melderegister BPDion Wien 1904 bis Abmeldung 1975 im Landesarchiv.

  • Verstorbene oder Geburt 110 Jahre zurückliegend
  • Auch Mitgemeldete können ausgehoben werden
  • Kosten: 35 €

https://www.wien.gv.at/amtshelfer/kultur/archiv/forschung/historischemeldeunterlagen.html

War die Meldung 1975 noch aufrecht, so wurde sie in den Computer übertragen und ist im Meldeamt abrufbar.

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