Debian-GNU/Linux
Was, schon wieder? Aber ich habe doch erst vor…okay, die zwei Jahre sind doch schnell vergangen. Eine neue Debian-Version wurde im Juli ausgespuckt. So alle zwei Jahre passiert das. Derzeit läuft meines noch auf der Vorgängerversion, namentlich unter Debian11 oder „Bullseye“ bekannt. Für die Laien sei hier angemerkt, dass es sich bei Debian um ein Urgestein in der Linux Welt handelt. Dieses läuft seit gut vier Jahren auf meinem Desktoprechner. Siehe Bild 1.
„ls -ltc /etc“ ist eine russische Herangehensweise, um das Alter seiner Linux Distribution herauszubekommen. Normalerweise werden die Attribute der Unterordner nicht mitgeändert. Der Parameter -c gibt somit das letzte Änderungsdatum auf der Kommandozeile mit aus. 2019 in meinem Fall. Einmal habe ich also schon upgegradet auf die nächste Version. Das war 2021. Ging auch alles glatt und war in einer halben Stunde erledigt. Wobei anzumerken wäre, dass dies alles unter einer 10Mbit-Leitung passierte.
Aber es ist so wie bei den Malern. Die meiste Arbeitszeit bei einem Upgrade auf eine neue Version verschlingt die Vorbereitung. Allein die aktuelle Sicherung der Daten im mehrstelligen GB-Bereich bedarf da keiner weiteren Erläuterungen. Okay, meine Datensicherungen sind zwar nie tagesaktuell, aber zumindest wöchentlich aktualisiert. Viel schlimmer träfe mich das Unterbrechen der aktuellen Arbeitsabläufe. Buch schreiben, Fernwartungen aller Schattierungen und der übliche Internetkram machten mir die Entscheidung relativ leicht. Nö, nicht jetzt. Ja, ich habe vier virtuelle Arbeitsflächen auf meinem Monitor. Am Screenshot habe ich das meiste schon aufgeräumt. Es ist, wie es ist. Jede Arbeitsfläche hat so seinen eigenen Schwerpunkt – und das passt auch für mich. Das ist wichtig.
Wie lange läuft das Zeug noch? Laut dem Zeitplan bis 2024 – danach tritt der erweiterte Supportzeitraum in Kraft. Also bis 2026. Da haben wir ja noch Luft nach oben. Danach tritt der ELTS (Extended Long Term Support) in Kraft. Macht insgesamt dann 10 Jahre Support aus. Ich denke, dass ich in nächster Zeit mein System auf die neue Version aktualisieren werde. Später, irgendwann … Bild 2
Immer das neueste Zeug zu haben, hat schon seinen Reiz. Aber viel wichtiger ist, dass das Betriebssystem genau das macht, was es soll. Unauffällig und fehlerfrei arbeiten. Vor 2019 war ich noch ein begeisterter Slackware-Anhänger. Das ist die älteste aktive Linux-Distribution. Auch ein hervorragendes System. Einzig der Wartungsaufwand war nicht so komfortabel. Was heißt komfortabel? Linux-Anwender sind in der Regel faul. Stinkfaul. Alle paar Wochen ein Kommando im Terminal für ein Update abzusetzen – das sollte reichen. Und da ist Debian unschlagbar.
Nach einem Kernelupdate kannst du natürlich den PC neu starten. Musst du aber nicht, falls es vom Zeitrahmen ungünstig erscheint. Läuft der PC eben bis zum nächsten Neustart mit dem alten Kernel weiter. Der Anwender entscheidet, was gemacht wird – und was nicht. Diese Philosophie hat mir immer schon sehr zugesagt. Debian hat mich in dieser Hinsicht auch noch nie enttäuscht. Bei Updates, wo der Kernel nicht betroffen ist, entfällt selbstverständlich ein Neustart. In der Windows-Welt wird das anders gehandhabt, da dort die Registry die Dateien während eines Updates nicht sperren kann. Deshalb benötigt die Datenbank (Registry) immer einen Neustart. Sollte aber auch zu handeln sein.
Der Wechsel von Slackware auf Debian fiel mir deshalb sehr leicht und mein Resümee ist auch dementsprechend ausgefallen. Heute kann ich sagen, dass ich noch nie so ein problemloses System unter meinen Anwendungen betrieben habe. Vor allem dank des überschaubaren Wartungsaufwandes.
Ein weiterer gern übersehener — aber für mich ausschlaggebender — Grund war die Firmenpolitik. Oder besser gesagt die fehlende. Diese Philosophie unterscheidet Debian eklatant von vielen anderen Linux-Distributionen. Anfangs fiel mir das gar nicht so auf, jedoch hat dieser Zugang seinen eigenen Reiz. Im Grunde genommen sind sich alle Linux-Distributionen ziemlich ähnlich. Nur die Philosophie dahinter wird von Debian am radikalsten umgesetzt.
Dabei geht es nicht um die Entwicklungsphilosophie, sondern der gesellschaftspolitischen Rolle Debians. Da fallen die rein technischen Argumente erstmal hinten beim Tisch runter. Das passt auch so. Die Freiheit von Software wurde schon vor Jahrzehnten von Richard Stallmann ins Leben gerufen. Und genau diese Freiheit wurde bis heute auf Debian-GNU/Linux übertragen. Das GNU steht übrigens für „Gnu is Not Unix“, nur nebenbei bemerkt. Dies ist auch die offizielle Bezeichnung Debians. In der offiziellen Ausgabe von Debian befinden sich nur freie Pakete. Pakete sind in der Linux-Welt jene Software, die darin gebündelt und zur Verfügung gestellt wird. Die unfreien Repositories (das sind die Quellen, wo die Softwarepakete aufliegen) sind standardmäßig deaktiviert. Das ist auch im Gesellschaftsvertrag von Debian so verankert.
Darum funktioniert bei einer Installation manches nicht auf Anhieb, weil eben unfreie Treiber oder Firmware fehlen. Noch vor etlichen Jahren war eine Firmware nur für WLAN-Adapter notwendig, wenn überhaupt. Heute brauchst du diese schon für Sound-Ausgaben, für GPUs oder die Haupt-CPU. Viele gängige Hardware funktioniert aber nicht mehr richtig ohne proprietäre Firmware. Anscheinend wurde das in Debian 12 inzwischen berücksichtigt und die unfreien Quellen freigeschalten. Muss ich mir noch genauer anschauen. Andere Distributionen wie Fedora installieren unfreie Firmware automatisch mit. Das ist eine komplett andere Philosophie. Es geht dabei um die soziale Freiheit auch im Digitalen. Im Bild 3 sind die unfreien Quellen bei mir freigeschalten. Contrib und non-free. Deshalb sehe ich das mit den proprietären Treibern nicht so eng, gleichwohl ist der nächste Absatz sehr wohl ausschlaggebend für mich.
Community-Projekte wie OpenSuse oder Fedora sind zwar auf dem Papier auch unabhängig, aber letztendlich immer von einem Unternehmen abhängig. In obigen Fällen von Suse und RedHat. Bei Ubuntu ist es genauso, wobei dort die Firma Canonical den Weg vorgibt. Bei Debian ist es die Community. Das ist der Punkt.
Es ist das Community-Projekt schlechthin. Obwohl sich auch etliche fragwürdige Sponsoren um Debian scharen, agiert es auf Augenhöhe mit Nutzern und Entwicklern. Diese Nutzereinbindung macht den Unterschied aus. Bei Community-Projekten, die von RedHat abhängen, hat das Unternehmen im Zweifel das letzte Wort. Kenner wissen, was mit CentOS in dieser Hinsicht passierte. Solche einschneidenden Entwicklungen sind bei Debian undenkbar. Dafür gibt es den Gesellschaftsvertrag bei Debian, der vor solch einem Unbill schützt. Unter diesem basisdemokratischen Ansatz werden öffentliche Positionen durch eine Abstimmung bestimmt Der Nutzer kann somit mit seiner Stimme den weiteren Weg Debians mitbestimmen.
Das klingt jetzt erstmal alles abstrakt und weit hergeholt. Debian berücksichtigt jedoch mit dem Gesellschaftsvertrag die verschiedensten politischen Positionen. Hier in Westeuropa wird das vielleicht auf ein paar hochgezogene Augenbrauen stoßen.
Debian weiß aber von den politischen Hintergründen und gibt jeder Person einen handfesten Grund, nicht nur die Distro, sondern auch GNU/Linux allgemein zu nutzen: Dabei geht es um die soziale Freiheit, die eben nicht überall am Globus gleich ausgeprägt ist. Und diese gesellschafspolitische Position kann nur durch eine Community umgesetzt werden. Debian macht das – und das ist auch gut so.
Debian ist extrem wichtig für die Freie Software-Welt. So viel steht fest. Sind deshalb die anderen Linux-Distributionen zu verteufeln? Nein. Ohne Debian hätte Linux nie so viel Popularität erfahren, das steht fest. Es gäbe kein Ubuntu, kein Mint und was weiß ich noch.
Auch unsere OwnCloud vom Clubcomputer läuft schon seit ein paar Jahren problemlos auf einer Linux-Basis. Siehe Bild 4.
Die Uptime ist nur was für Narzissten. Klar schaut das imposant aus (hier ein halbes Jahr), wichtiger ist aber die Kundenzufriedenheit. Und vor allem die moderaten Hardwareanforderungen – hier mit 4GB RAM, womit unser kompletter OwnCloud Server betrieben wird. Auch schon ein paar Jährchen her. Siehe Bild 5.
Im Prinzip soll dir das Betriebssystem keine Lebenszeit stehlen. Das machen schon die Anwendungen alleine. Was gibt es noch über Debian zu sagen? Ubuntu, Linux-Mint und Co. Stammen alle von diesem ab. Das bedeutet, dass die Knochenarbeit die Debian-Entwickler tätigten und andere Distributionen Debian als Basis verwenden. Obwohl kein Unternehmen im Hintergrund steht, hat sich Debian mittlerweile seinen Platz in Unternehmen erkämpft. Rede einfach mit Leuten aus der IT und frage sie nach Debian.
Das ausschlaggebende für Debian hat sich über die Jahre in den beiden Sätzen manifestiert – zumindest für mich: Da Debian nicht direkt an einer Firma hängt, wird es Debian immer geben. Also zumindest, solange es Menschen gibt, die zusammen ein freies Betriebssystem zusammenstellen wollen.
Ein Netz-Fund versinnbildlicht das unterschwellige Problem. Siehe Bild 6.
Tja, der war auch einmal der Platzhirsch. Ist auf einem Grab in Südkorea offiziell begraben worden. Frag mich nicht warum. Interessanter wäre eine Feuerbestattung samt Urne gewesen. Hat keine 30 Jahre durchgehalten und ist von den meisten Anwendern schon lange aus dem Oberstübchen rausgekickt worden. Dieses Schicksal bleibt Debian jedenfalls erspart.
Somit hat Debian bei Armageddon gute Chancen, mit den Kakerlaken das letzte Inferno zu überleben. Zumindest wären das meine größten Sorgen. Ich bleib jedenfalls bei Debian. Und ja, das mit dem Upgraden … nur net hudeln.
Irgendwer sprach mich beim letzten Treffen darauf an, wieso wir die PCNEWS überhaupt noch betreiben und am Leben erhalten. Eigentlich macht die Hauptarbeit der Franz, dem ich auf diesem Weg auch meinen Dank aussprechen will. Die Frage kann relativ leicht beantwortet werden.
Jeder Weihnachtskarpfen kann darin problemlos transportiert werden.
Jede renitente Hofratswitwe kann mit der eingerollten PCNEWS in die Schranken gewiesen werden. Jeder Boden eines Wellensittichkäfigs kann damit bequem ausgekleidet werden. Und wer kann schon sein Tablet am Gang zum WC einrollen?
Man liest sich
Gruß Günter
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