Martin Weissenböck

Seit 15. Juni 2017 gelten für die folgenden Staaten und Territorien besondere Regeln für die Nutzung von Mobiltelefonen (SIM-Karten) bei Telefongesprächen, SMS und beim Datenverkehr:

Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Französische Gebiete im Indischen Ozean, Französisch-Guayana, Gibraltar, Griechenland, Großbritannien, Guadeloupe, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Martinque, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern

Die Schweiz ist nicht dabei. Und welche Regelungen für Großbritannien gelten, ist zum Zeitpunkt, zu dem dieser Beitrag verfasst wird, nicht klar.

Die Urlaubszeit naht. Einige Fallen sind nach wie vor vorhanden. Die folgenden Zeilen sollen vor unangenehmen Handyrechnungen schützen.

Gespräche von Österreich ins EU-Ausland

Diese Gespräche gelten als Auslandgespräche und dürfen ab 15. Mai 2019 maximal 22,8 Cent/Minute kosten. SMS-Kosten maximal 7,2 Cent. Natürlich sind auch niedrigere Kosten möglich. Es gibt auch Anbieter mit Tarifen mit einer bestimmten (begrenzen) Minutenzahl ins EU-Ausland. Besser:

Der Anbieter Spusu ist diesbezüglich eine rühmliche Ausnahme: bei Spusu gelten die Freiminuten auch für Gespräche von Österreich ins EU-Ausland.

Siehe    
https://www.spusu.at/auslandstelefonie

Gespräche von einem EU-Land in ein anderes EU-Land, auch von einem EU-Land nach Österreich

Hier gelten die selben Tarife wie bei Inlandsgesprächen. Das heißt nun beispielsweise: wer von Bratislava nach Deutschland telefoniert, zahlt wesentlich weniger als von Österreich nach Deutschland.

Absurd? Unverständlich? Benachteiligend? Ja! Ein unfairer Vorteil für die großen Anbieter? Ja! Ein großer Nachteil für die kleineren Anbieter? Ja!

Die EU-Verkehrsminister (auch unser Minister Hofer) haben sich 2018 für eine Beibehaltung dieser Regelungen ausgesprochen.

Datenroaming im EU-Ausland

Das Datenvolumen, das laut Tarif inkludiert ist, kann nur zu einem Teil innerhalb der EU genutzt werden. Jeder Anbieter muss mindestens bei Roamingtarifen mindestens eine bestimmte Datenmenge zu “Inlands­konditionen“ bereit stellen. Die allgemeinen Bedingungen sind hier zu finden:  
https://europa.eu/youreurope/citizens/consumers/internet-telecoms/mobile-roaming-costs/index_de.htm

Ab 2019 ist diese Datenmenge etwas höher geworden. Die Formel lautet:

Monatstarif (netto, also exklusive Mehrwertsteuer, in €) / 4,5 * 2 GB

Beispiel Yesss Tarif Complete XL:

  • Monatlich 13,99 € inkl. 20% MWSt
  • Netto daher 13,99 € /1,2 = 11,66 €
  • Mindestdatenmenge =
    11,66 / 4,5 * 2 GB = 5,182 GB,
    gerundet 5,2 GB

Die 4,5 €/GB werden als Preisobergrenzen auf der Vorleistungsebene bezeichnet. Das ist der Betrag, den die Betreiber unter einander verrechnen. Dieser Wert sinkt jährlich: 2017: 7,7€/GB, 2018: 6,0€/GB, 2019: 4,5€/GB, 2020: 3,5€/GB, 2021: 3€/GB und ab 2022 2,5€/GB. Damit steigt natürlich das verfügbare Datenvolumen. In den Beispiel wären das 9,33.

Die freie Datenmenge ist auf der Webseite des Anbieters anzuzeigen.

Noch mehr Ausnahmen unter  
https://www.rtr.at/de/tk/Kostenbeschrnkung_Auslandsverbindungen

Einige Betreiber haben nach Inkrafttreten der Roaming-Verordnung weitere Tarife “erfunden“, die nur innerhalb von Österreich gelten. Dazu kann sich jeder selbst seine Meinung bilden. Aber erfreulicherweise gibt es ja genug Alternativen zur Auswahl.

Der Anbieter Spusu teilt beispielsweise Anfang April 2019 mit, dass die laut EU-Verordnung definierte Datenmenge in allen Tarifen gilt – es gibt also keine speziellen “Österreichtarife“. Allerdings muss diese Vertragsänderung noch durch einen Anruf an 0670 670 1000 bestätigt werden.

Bei Spusu und Yesss kann man ein nicht verbrauchtes Gesprächs-/SMS-/Daten­gut­haben ins nächste Monat mitnehmen. Damit erhöht sich aber nicht die Freigrenze für das EU-Roaming.

Grenzen für das Datenroaming in der EU

Drei bietet den Wertkartentarif Optimal SIM XL an: 30 GB pro Monat, davon 20 GB innerhalb der EU, um 27 € pro Monat.

https://www.drei.at/de/shop/tarife/privat/telefonie-tarife/tarife-ohne-bindung/

Also: eine SIM-Karte kaufen, einen Monat lang im Urlaub heftig surfen und dann wieder zu einem anderen Tarif zurück kehren? Nein, das wird nicht akzeptiert (ich habe es im Vorjahr ausprobiert) – man muss dann mindestens von ein Monat lang den Tarif von Österreich aus nutzen, sonst werden die Datennutzung nach­verrechnet.

Datenroaming außerhalb der EU

Hier verrechnen Betreiber oft Mondtarife, ohne eine sachliche Begründung zu liefern. Ein Beispiel, wieder von der yesss-Seite:       
https://www.yesss.at/roaming/vertrag-roaming

Bei allen Auslandszonen steht 0,99. Man muss nun den Text dazu lesen: das sind nicht die Kosten in Cent pro MB, sondern die Kosten für 100 kB inklusive Mehrwertsteuer in €. Also 9,90 € pro MB und 9900€ pro GB. Nein, das ist kein Schreibfehler. Ein GB, das in Österreich z.B. 4 € oder weniger kostet, kostet beim Roaming außerhalb der EU fast 10.000 € oder das 2500-fache oder ein Aufschlag von 250.000% (in Worten: Zweihundertfünfzigtausend Prozent).

Obwohl der Tarif klar auf der Webseite ersichtlich ist, habe ich Yesss per E-Mail um eine Bestätigung gebeten. Leider ist keine Antwort eingetroffen – vielleicht ist es doch peinlich, den Betrag von 9.900 €/GB  auch noch schriftlich zu bestätigen…

Ende März 2019 hat der ORF-Sendung in der Sendung “Bürgeranwalt“ einen Bericht über eine Handyrechnung von 12.817 € gesendet. Sehr interessant die Stellungnahme das Anwalts Dr. Schneider (Kanzlei Preissl-Schneider) aus Dornbirn: er hat schon mehrere Fälle dieser Art gehabt. Es wurde nie bezahlt und trotzdem hat kein Mobilfunkbetreiber geklagt. Vor Gericht müsste der Betreiber ja dann die Grundlagen seiner Kalkulation vorlegen. Und da kann man schon sehr gespannt sein, wie ein Aufschlag von (beispielsweise) 250.000% gerechtfertigt wird.

Wenig verständlich, warum der Gesetzgeber oder die Regulierungsbehörde RTR nicht eingreifen.

Grenzen und Fähren

Wenn man in Vorarlberg unterwegs ist, kann sich das Handy schon einmal in der Schweiz einbuchen. Und dann kostet bei dem erwähnten Yesss-Tarif das GB eben fast 10.000 €. Auch wer mit einer Fähre unterwegs ist, kann noch in Sichtweite der Küste eine unangenehme Überraschung erleben. Wenn noch von der Fahrt durch Italien am Handy das Roaming aktiviert ist, kann auf der Fähre gleich die hohe Gebühr zuschlagen. Das ist mir trotz großer Aufmerksamkeit mit einer Prepaid-Karte vor Ancona passiert. Aus gutem Grund war die Karte nur mit 10 € aufgeladen. Und die waren gleich weg! Ich habe danach mehrere E-Mails mit HoT gewechselt – mehr zum Ergebnis weiter unten.

Wie kann ich mich vor den Roaming-Abzockern schützen?

  • Das Roaming abschalten. Die sicherste Methode, aber dann verliert man die Vorteile des EU-Roamings im Ausland.
  • Nur das WLAN des Hotels am Urlaubsort nutzen (falls vorhanden), Straßenkarten offline nutzen.
  • Roaming einschalten, aber das automatische Einbuchen, also die automatische Auswahl des Netzes, abdrehen. Dann eben nur mehr ein Netz eines EU-Landes wählen. Nicht so bequem. Achtung: “Italy-Maritim“ oder ähnliche sind Seefunknetze, daher keine EU-Roaming-Netze und sehr teuer!
  • Erreichen die Kosten im einem Monat 60€, wird das Handy abgeschaltet. 
    Achtung, dieses Limit kann vom Nutzer geändert werden und auch auf “unbegrenzt“ gestellt werden. Und dieser Schutz gilt auch nur für Konsumenten (also private Nutzer) und nicht für Firmenhandys. In der ORF-Sendung wurde auch berichtet, A1 habe argumentiert, dass das Limit abgestellt worden wäre. Nur: der Inhaber des Handys kann sich nicht erinnern, dies so eingestellt zu haben. Die Regulierungsbehörde sollte vorschreiben, dass jede Änderung der Einstellungen SMS und/oder E-Mail bestätigt wird.
  • Die Mobilfunkbetreiber sollten eine Einstellung anbieten, mit der zwischen dem teuren weltweitem Roaming und dem preiswerten Roaming in EU-Ländern unterschieden wird. Aber welcher Anbieter schlachtet schon das Huhn, das pro Gigabyte goldene 10.000€-Eier legt?

Doch, es gibt sie!

Von HoT habe ich Anfang April 2019 folgende E-Mail bekommen:

Als erster Anbieter in Österreich kann beiaußerhalb der EU gesperrt werden – Sie können diese Sperre ab sofort in der(neueste Version) bzw. in unserer Kundenzone unterwww.hot.at/mein-hotdem Punkt Einstellungen ändern. Somit kann man Datenroaming innerhalb der EU weiterhin nutzen, aber außerhalb der EU bzw. in Grenznähe ist man vor ungewollten Kosten geschützt!

Einstellungen bei Hot

Und auch Spusu bietet eine Einstellung, die dieselbe Wirkung hat: werden die Kostenlimits beim Roaming auf 0 € gestellt, ist das Einbuchen in teure Netze, die nicht unter die EU-Regelung fallen, nicht möglich.

EInstellungen bei Spusu

Beide Anbieter bitte vor den Vorhang: so sieht Kundendienst aus!

Zusammenfassung

Auch wenn die Politik ihre schützende Hand über die großen Betreiber hält, kann man sich doch durch die geeignet Wahl eines Anbieters gegen die Roaming-Fallen wehren:

  • Für Telefonate ins EU-Ausland bietet Spusu die fairsten Tarife.
  • Gegen irrwitzige Tarife beim Datenroaming bietet HoT und Spusu faire Lösungen an.

Wünsche an die Politik und die Regulierungsbehörde:

  • EU-Tarife auch bei Gesprächen von Österreich aus
  • Verpflichtendes Angebot einer Option, mobile Tarife außerhalb des EU-Roaming zu sperren
  • Verbot der hohen Daten-Tarife
  • Verpflichtende Verständigung bei der Änderung von Einstellungen

Aber da Berichte der Volksanwaltschaft zu diesen Themen oder knapp 900.000 Unterschriften bei anderen Themen auch nichts bewirken, hilft nur eines:

Wechsel des Betreibers das hilft sicher!

Martin Weissenböck

Martin Weissenböck hat die HTL 3 Rennweg 23 Jahre lang geleitet, schreibt Skripten, Lehrbücher und Artikel für die PCNEWS, leitet die Arbeitsgemeinschaft für Didaktik, Informatik und Mikroelektronik (ADIM) und den Verein SCHUL.InfoSMS. Er hält Vorträge und ist Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Wien.

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