Wir schauen jeden Tag auf die immer gleich (gefährlich) ansteigende Kurve in den Nachrichtensendungen. Heute zeigte das Maximum auf 2730, vor einer Woche waren es 600 und vor 14 Tagen 80 Erkrankte.
In diesen 14 Tagen hat sich die Anzahl der positiv Getesteten um den Faktor 35 erhöht. Wenn sich also die Steigerungsraten nicht weiter verändern und wir die heutigen 2800 Erkrankten bis zum Palmsonntag hochrechnen, hätten wir dann 98.000 Erkrankte – und Ostern wäre noch eine Woche später. Diese Zahl werden wir aber (hoffentlich) nicht erreichen und zwar aus drei Gründen.
- (1) Wir haben dem Virus den Kampf angesagt und alle arbeiten – so wie ich – im Home-Office und bieten der Verbreitung möglichst wenig Angriffsfläche, daher werden also in den kommenden 14 Tagen keine so großen Steigerungen mehr zu erwarten sein, und auch Verringerung der Zuwächse der letzten Tage zeigt das auch bereits ein wenig an.
- (2) Aber auch wenn die Steigerungsraten gleich blieben, würden wir das nicht so genau wissen, weil das Gesundheitspersonal nur eine beschränkte Anzahl von Personen täglich testen kann und man daher die Anzahl der Erkrankten aus Gründern der begrenzten Ressource an Personal und Testmaterial gar nicht erfassen könnte. Italien steht derzeit bei ca. 50.000 Fällen, ist aber etwa 14 Tagen vor unserer eigen Situation. Doch die Dunkelziffer wird dort viel höher eingestuft.
- (3) Dazu kommen aber die wieder gesundeten Personen. Diese Gruppe wird derzeit nur oberflächlich getestet wie man an den Kurven auf der ORF-Seite sehen kann. Der Verlauf der Gesundeten müsste dem der Neuerkrankungen folgen, aber derzeit verläuft dieser Verlauf flacher, und das deutet darauf hin, dass man sich beim Testen (natürlich) eher auf die Neuerkrankungen konzentriert. Wenn aber dann die Gesundungen stärker zunehmen, muss man sie von den Neuerkrankungen abziehen und aus diesem Grund kommt es trotz weiterer Zunahme der Neuerkrankungen zur einer weiteren Abflachung.
Exponentielle Anstiege verlaufen in einem logarithmischen Maßstab als Geraden und Abweichungen von einem Geradenverlauf sind sehr einfach festzustellen. Betrachtet man den Verlauf dieser Geraden, kann man an den Werten der letzten Tage eine leichte Krümmung nach unten erahnen, und die gibt Hoffnung.
Noch genauer sieht man diesen Trend, wenn man die täglichen prozentuellen Zuwachsraten verfolgt. Eingetragen ist eine Trendlinie, die deutlich nach unten gerichtet ist, die Zuwachsrate liegt heute bei nur mehr 15%. [Alle Daten sind mit einer ziemlichen Unsicherheit behaftet.]
Prognose
Welche Erkrankungszahlen werden wir am Palmsonntag sehen?
Das hängt von den täglichen Zuwachsraten ab. Ausgehend vom heutigen Tag mit 2730 Krankheitsfällen, ergeben sich folgende Szenarien:
21.03.2020 | 04.04.2020 | % | Verdoppelungszeit |
2730 | 5405 | 5 | 14,2 |
2730 | 10367 (grün) | 10 | 7,3 |
2730 | 19317 | 15 | 5,0 |
2730 | 35051 (gelb) | 20 | 3,8 |
2730 | 62073 | 25 | 3,1 |
2730 | 107490 (rot) | 30 | 2,6 |
Die Tabelle zeigt die Zahl der Erkrankungen am 4.4.2020 unter der Annahmen verschiedener täglicher Zuwachsraten und dazu die Verdoppelungszeit in Tagen. In der folgenden Prognose wurden die drei Fälle 30% (rot), 20% (gelb) und 10% (grün) eingezeichnet. (In Wahrheit ist die tägliche Zuwachsrate nicht konstant, weil unser Verhalten, das Wetten, die Maßnahmen, die Testungen… ständigen Schwankungen unterliegen.)
Nur, wenn sich die tägliche Zuwachsrate weiter verringert (bis etwa 10%), könnten wir am Palmsonntag irgendwo bei 10.000 Krankheitsfällen (also bei einer Vervierfachung) oder auch darunter liegen.
Schöne Ostern!
Nachtrag
Wir haben nur die offiziellen Zahl der täglich positiv Getesteten. Wir wissen nicht, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind. Wie viele positiv Getestete es gibt, ist aber abhängig von der Leistungsfähigkeit der Testteams. Ihre Anzahl kann man nicht beliebig steigern und auch die Tests in den Labors kann man nicht beliebig steigern. Nimmt also die Zahl der Anrufe bei 1450 so wie bisher zu, können diese Anfragen irgendwann nicht mehr alle bearbeitet werden und unsere Kurve wird sich abflachen. Aber dieses Abflachen – über das man sich freuen wird – bildet nur diese Systemüberlastung ab.
Was aber immer eine makabre Kontrolle dieser Relationen sein wird, ist die Anzahl der Toten, die uns sagt, wie die Lage wirklich ist. Auf der Seite des ORF entnehmen wir die Relation der Toten zu den positiv Getesteten 8/2014, das sind 0,4%. In Italien ist sie 4825/53.578 = 9%. Das heißt nun nicht, dass das Virus sich in Italien anderswie verhält, es bedeutet nur, dass man in Italien höchstwahrscheinlich nicht mehr so viele Menschen testen kann wie derzeit in Österreich.
Die Dunkelziffer ist hoch, Werner schreibt in Facebook, dass Schätzungen davon berichten, dass die Anzahl der Erkrankten 47 Mal höher ist als die Zahl der positiv Getesteten. Am heutigen Tag wären das in Österreich ca. 130.000 Personen und bei durchschnittlichem Verlauf am Palmsonntag 1,6 Millionen.
Einerseits ist das eine sehr beunruhigend große Zahl, anderseits aber wieder ein gutes Zeichen, denn unser aller Ziel muss eine Immunisierung der Bevölkerung sein und damit eine Rückkehr zur Normalität. Wenn diese hohe Dunkelziffer also stimmt, wären wir in ein paar Wochen „durch“.
Nachtrag 2
Der Hammer und der Tanz (englisch, deutsch) (unbedingt lesen!)
Dunkelziffer
Das Emperial College London bezeichnet die Dunkelziffer mit 19-26:
Franz Wiesbauer kommt auf den Faktor 27 (444 vs. 12.000 Fälle) für die Dunkelziffer Der Versatz des Beginns der Maßnahmen zum sichtbaren Effekt (9 Tage) https://www.youtube.com/watch?v=1-AvF8pQ0fo&list=PLu9YtE2mzBbNSSkvjDw3spYavUxjwgBsa&index=3&t=0s
Ursprünglicher Beitrag von Franz Wiesbauer (YouTube), der „Flatten de Curve“ einige Tage bevor die Regierung die Kommunikation dann auch übernommen hat:
In anderen Quellen sind die Schätzungen der Dunkelziffer beim Faktor https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-wie-hoch-die-dunkelziffer-bei-den-coronavirus.1939.de.html?drn:news_id=1112563
Franz war pensionierter HTL Lehrer (TGM), Präsident von ClubComputer, Herausgeber der Clubzeitung PCNEWS und betreute unser Clubtelefon und Internet Support. Er war leidenschaftlicher Rapid Wien Fan. Er ist leider Anfang Jänner 2024 nach langer schwerer Krankheit verstorben.
Wenn ich mir die Daten auf ORF.at so ansehe, hat sich in den letzten Tagen die Anzahl der Testungen massiv erhöht, die Steigerungsraten bei den Infizierten aber nicht. Ich würde das so deuten, dass in Österreich die Dunkelziffer der Infizierten relativ gering ist.
Es gibt einen zweiten Nachtrag mit Links zu Beiträgen über die Dunkelziffer und vor allem den tollen Beitrag „Hammer and Dance“.
Wenn diese hohe Dunkelziffer also stimmt, wären wir in ein paar Wochen “durch”.
euphemistisch hervorragend rübergebracht, franz
ich rechne mit ein paar Monaten
bis zur Normalität ? keine Ahnung, ob und wenn ja, wann…
Das Virus ist wie die Angst. Um lernen, mit ihr zu leben, muss man sich ihr aussetzen. Sie verschwindet zwar deshalb nicht, aber sie wird uns vertraut. Beim Virus ist das genau so. Wenn man sich 100%ig isoliert, bleibt man zwar gesund, wird aber die Bedrohung nie los. Man muss sich als Gesellschaft dem Virus in den richtigen Portionen aussetzen, man muss lernen, mit ihm zu leben. Lernt man das nicht, bringt er uns um. Nicht direkt durch die Krankheit sondern durch unsere Angst und den wirtschaftichen Niedergang. Das Problem wird sein, unser Zusammenleben so abzustimmen, dass man erkranken kann aber nicht allzu viele gleichzeitig. Tomas Pueyo nennt es den „Tanz“.
Servus, danke für den Artikel.
Heute, 30.3. sind es 9377 Positive. Grün wird sich leider nicht ausgehen. Ob das auch durch ein Mehrtesten begründet ist, kann ich nicht sagen…Hoffen wir es jedenfalls.
ad „Wenn man sich 100%ig isoliert, bleibt man zwar gesund, wird aber die Bedrohung nie los“: Das stimmt natürlich, insbesondere wenn man zur Risikogruppe gehört. Denn was hilft es wenn die Kurve sinkt. Dann ist das Spitalswesen zwar im grünen Bereich, aber für den Einzelnen immer noch tragisch, wenns passiert. Also können sich 50+ Diabetiker eigentlich nur einigeln und warten bis es eine Impfung gibt, oder zumindest eine realistische Heilungschance für Intensivpatienten.
LG und g’sund bleiben, Thomas