Rückblick
Es ist Palmsonntag und es ist Zeit, die Szenarien, die vor drei Wochen gezeichnet wurden, mit den realen Zahlen zu vergleichen.
Drei mögliche Entwicklungen für verschiedene tägliche Steigerungsraten wurden am 13.3.2020 angenommen: 30% (rot), 20% (gelb) und 10% (grün).
Eigentlich nahm ich an, dass sich die tägliche Steigerungsrate von einem hohen Wert auf einen kleineren Wert verringern würde und man zwei Phasen ablesen wird können. Doch die tägliche Steigerungsrate senkte sich nicht auf einen konstanten Wert, sondern wurde von Tag zu Tag kleiner.
Die Steigerungsrate senkte sich von Tag zu Tag und liegt heute bei etwa 3%. Und das ist noch erfreulicher als ein 10%iger Anstieg, denn die Neuerkrankungen pro Tag gehen kontinuierlich zurück.
Die Verdoppelungszeit ist schon auf über 20 Tage angestiegen.
Die allgemeine Freude über den starken Rückgang der Steigerungsraten ist groß, aber genügt das, und was können wir für den kommenden Monat sagen?
Prognose April
Eine Euphorie und voreilige Öffnungen können schwer ins Auge gehen, wie wir gleich sehen werden. Hier eine grafische Prognose für den April:
Das Sternderl markiert den Prognosetag, die weiße ansteigende Linie ist die Zahl der Infizierten, jeweils mit dem Zahlenwert angegeben. Die verlängerte grüne Linie ist die optimistische, sie markiert das Nullwachstum, die verlängerte rote Linie markiert ein weiterhin 3-prozentiges Wachstum.
Dass die weißte Kurve in dieser logarithmischen Darstellung keine Gerade ist – wie man das bei exponentiellem Wachstum erwarten würde – liegt an den sich ständig verändernden täglichen Zuwachsraten von zuerst etwa 40% bis auf heute 3%.
Die Kurve der Genesenen (hellgrün dick) folgt der der Infizierten in eine, zeitlichen Abstand von 14 Tagen. Das sind keine Messwerte sondern eine Annahme, die aber sehr gut zutrifft. Im März waren die Zahlen der Genesenen noch kein Thema, der Verlauf der Kurve waren nur Infizierte. Aber heute, am 5. April zählen wir bereits sehr viele Genesene und die Zahl der insgesamt Erkrankten geht wegen des nur mehr geringen Zuwachs an Neuerkrankungen zurück.
Für eine Prognose bis Ende April nehmen an, dass die Maßnahmen noch einige Zeit unverändert fortgesetzt werden, und dass der beobachtete Trend anhält und dass sich die tägliche Steigerung weiter verringert. Zwei Extremwerte wollen wir annehmen:
- Die Steigerungsraten gehen auf Null zurück (grüne Kurven)
- Die Steigerungsraten bleiben bei drei Prozent (rote Kurven)
Dann nehmen wir an, dass im selben Ausmaß wie im März die Erkrankungen zugenommen haben, im April die Genesenen zunehmen werden. Der zeitliche Abstand zwischen den beiden Gruppen beträgt 14 Tage.
0% Steigerungsrate
Ab heute oder spätestens zu Ostern gibt es keine nennenswerten Neuerkrankungen mehr. Die Kurve der Infizierten verläuft horizontal (weiß verlängert mit grün).
Die Zahl der Genesenen nimmt stetig zu und verflacht sich Mitte April. (grün dick)
Die Zahl der Erkrankten sinkt Mitte bis Ende des Monats auf Null (grün strichliert).
Genau diesen Fall sollten wir erreichen wollen.
3% Steigerungsrate
Der derzeitige Steigerungsrate der Infizierten von 3% bleibt bestehen. Die Kurve der Infizierten verläuft leicht steigend(weiß verlängert mit rot).
Die Zahl der Genesenen nimmt stetig zu und steigt Mitte April ebenso mit 3% weiter an (orange).
Die Zahl der Erkrankten sinkt Mitte des Monats leicht aber, um danach im selben Ausmaß wie die Infizierten mit 3% anzusteigen (orange strichliert). Dieser leichte Einbruch der Erkranktenzahlen liegt an der Ungleichmäßigkeit der Zuwachsraten im März, spielt dann aber in weiterer Folge keine Rolle mehr.
Ist doch auch recht gut, oder?
Wo liegt das Problem?
Das Problem liegt in der „täglichen Steigerungsrate von 3%“, denn egal, wie klein diese Steigerungsrate auch ist, sie bewirkt ein exponentielles Wachstum und ein Nachhinken der Zahl der Genesenen um 14 Tage.
Veranschaulichen wir uns diese Entwicklung durch ein Zahlenbeispiel.
Heute gibt es 12.000 Infizierte, 3.000 Genesene und daher 9.000 Erkrankte.
Iheute = 12.000 Gheute = 3.000 Eheute = 9.000
Jetzt schauen wir ein bisschen in die Zukunft, bei einer täglichen Zuwachsrate von „nur“ 3 Prozent.
10 Tage
I10 = 12.000*(1,03)^10 = 16.126 G10 = 3.000*(1,03)^10 = 4.031 E10 = 12.095
Wenn also Infizierte und Genesene mit demselben „Tempo“ ansteigen, steigt nach 10 Tagen die Zahl der Erkrankten von 9.000 auf 12.000, was uns noch nicht beunruhigen wird; sollte es aber, denn schauen wir weiter:
100 Tage
I100 = 12.000*(1,03)^100 = 231.624 G100 = 3.000*(1,03)^100 = 57.656 E100 = 173.968
Man sieht also, dass auch ein 3-prozentiger Anstieg mit der Zeit dramatische Konsequenzen hat und jedes Gesundheitssystem überfordert.
Dieser Umstand wurde im Beitrag „Epidemie“ erläutert. Man kann das Verhalten an der folgenden Grafik ablesen:
Man sieht, dass bei einer geringeren täglichen Steigerungsrate das jeweilige Maximum nicht so hoch ist und dass man Zeit gewinnt, weil die entscheidenden Anstiege viel später erfolgen und auch, dass die Epidemie länger dauert. Genau das hat auch das Rechenbeispiel gezeigt.
Der Plan muss also sein, die Neuinfektionen auf Null zu senken, sonst wird es auch bei einem 3-prozentigen Wachstum mit der Zeit ungemütlich.
Franz war pensionierter HTL Lehrer (TGM), Präsident von ClubComputer, Herausgeber der Clubzeitung PCNEWS und betreute unser Clubtelefon und Internet Support. Er war leidenschaftlicher Rapid Wien Fan. Er ist leider Anfang Jänner 2024 nach langer schwerer Krankheit verstorben.
Solange es keine Medikamente und Impfungen gibt, halte ich von den Zahlenspielereien ehrlich gesagt gar nix. Da gibt es viele nicht registrierte Infizierte; da gibt es viele nicht erfasste Gesunde. Ohne Restrisiko wird es nicht gehen.
Vorrangig ist einmal Schutz der Alten. Es ist eindeutig, dass der Prozentsatz der verstorbenen Corona infizierten im höheren Alter respektive Leute mit Vorerkrankungen weitaus am höchsten ist. Diese Gruppe muss sich selbst schützen. So wie es halt im Augenblick verlangt wird. Die Kurve flach halten bei den anderen, quasi bei der (vermeintlichen) Resistenten wäre falsch. Auch kein Trainer wird Erfolg haben, wenn er nur „Ball flachhalten“ verlangt. Wie flach?
Wenn wir nach Ostern nur auf die Tabelle sehen und auf „Flachhalten“ beharren, sind wir zu Weihnachten um keinen Meter weiter. Da drehen die Leute durch! Da sind die besten Betriebe im Eimer! Du musst einfach eine andere Strategie riskieren.
Wenn sich die gefährdete Gruppe (Alte + Vorerkrankte) anständig verhält, sollten die Intensivbetten ausreichen soferne sie überhaupt notwendig würden.
Lieber Hans!
Was Menschen immer schon gemacht haben, ist, dass sie Phänomene aller Art voraussagen können. Ohne ein Modell würde man das Wesen einer Epidemie nicht verstehen können.
In diesen Tage gilt der widersprüchliche Satz: „Wenn wir gesund sein wollen, müssen wir (kontrolliert) erkranken.“ Niemand will selbe erkranken, aber im Sinne einer „Durchseuchung“ der Bevölkerung sollten es dennoch möglichst viele sein.
Da wir eher auf der sicheren Seite wandeln, wird es mit der Durchseuchung/Herdenimmunität wohl noch bis zur Entwicklung eines Impfstoffs dauern.
Wesentlich scheint mir der Satz, dass solange eine Zuwachsrate besteht, es immer zu einem progressiven Anwachsen der Erkrankungen kommt. Und das hat noch gar nichts mit den geplanten Lockerungen zu tun. Wir haben derzeit ein tägliches Wachstum der Infektionen von 3%. Das scheint wenig, führt aber in 10 Tagen zu 16.000 und in 100 Tagen zu 230.000 Erkrankten. Die Beobachter der Zahlen fühlen sich auf der sicheren Seite, weil derzeit die Zahl der Genesenen die Krankenzahl sinken lässt. Das wird aber nicht lange dauern und dreht dann die Richtung.
Nur bei Nullwachstum entgehen wir weiteren Maßnahmen.
Servus, Franz