Meine Schwindel meine Stürze

PROLOG

Ich leide schon seit Jahr und Tag
an einer blöden Schwindel-Plag
da lag ich manches Mal am Boden
dann ham mich Andre aufgehoben
auch über Stiegen kann man fliegen
und bleibt dann halt am Absatz liegen
nach klugem Denken in der Nacht,
hab’ ich den Schwindel weggebracht.

GENESE

Vor etwa 3½ Jahren bin ich das erste Mal gestürzt, was ich auf eine Ungeschicklichkeit zurückgeführt habe. In der Zwischenzeit vor etwa 5 Monaten habe ich bemerkt, dass ich zunehmend unter einem Schwindel leide, der nur im Gehen auftritt. Ich bin schon öfter beim Überqueren einer Fahrbahn gestürzt und vor 3 Monaten in einer U-Bahn-Station auch über eine Stiege hinuntergefallen. Seit etwa 4 Wochen ist noch etwas hinzugekommen, nämlich dass mir beim Gehen zunehmend der Nacken schmerzt, als hätte ich eine schwere Tasche um den Hals. Vielleicht versucht mein Körper das zitternde Bild durch eine festere Haltung des Kopfes auszugleichen. Jedenfalls vergehen beim Stehenbleiben diese Schmerzen ebenso wie der Schwindel. Der Schwindel wird täglich stärker.

Die Ursachen für die Stürze sind etwas schwache Muskel und ein Schwindel, der nur im Gehen auftritt. Es fühlt sich an wie auf Wolken oder in einem Film oder nach einem Jetlag. Jedes Mal wenn meine Ferse am Boden aufsetzt bewirkt anscheinend dieser schwache Stoß, dass mein Gesichtsfeld kurzzeitig zittert. Wenn ich schnell gehe umso häufiger, wenn ich stehen bleibe gar nicht. Zur Probe bin ich ein Stück auf Zehenspitzen gegangen und das Zittern (Wackeln, Vibrieren) des Sehens war praktisch weg. Beim Sitzen oder Liegen ist alles in Ordnung, auch beim Sitzen während einer Busfahrt habe ich kein Problem. Aber beim Aussteigen aus Bus oder Straßenbahn beginnt das Problem, weil ich sofort schwindlig werde.

Durch eingehende Untersuchungen wie EKG, eine 24h-Blutdruckmessung, Duplexsonografie der Halsgefäße, Nervenleitgeschwindigkeit, EMG und MRT der Beine, MRT von Wirbelsäule und Schädel, und schließlich Nystagmographie konnten zwar viele Ursachen ausgeschlossen, aber keine eigentliche Ursache für diesen Geh-Schwindel gefunden werden. Das Nichtauffinden der wahren Ursache hat mich zur Verzweiflung gebracht, weil die Strecken, die ich ohne Sturzgefahr zurücklegen konnte, immer kürzer wurden, zuletzt nur mehr etwa 500m. Von Fußmassage bis Dehnen der Nackenmuskel habe ich alles probiert, was das Zusammenspiel von Beinen, Augen und Gleichgewichtsorgan verbessern könnte.

Eines Nachts ist mir beim Durchdenken der verschiedenen beteiligten Körperteile wieder in Erinnerung gekommen, dass Ärzte des Öfteren meinen essenziellen Tremor angesprochen haben, der – obwohl für andere gut sichtbar – mir selbst kaum auffällt. Dieser ist aber im Lauf der Jahre immer ausgeprägter geworden. Zusätzlich wusste ich, dass meine Brille eine Gleitsichtbrille ist, die ich seit 20 Jahren trage mit den richtigen Dioptrien für Ferne und Nähe. Die Gläser haben oben einen Bereich für große Distanzen, unten einen Bereich für kurze Distanzen und dazwischen, also in der Mitte des Sehfeldes, einen Bereich, der sehr schmal und seitlich von verzerrenden Bereichen umgeben ist. Was wäre, wenn mein zunehmender Tremor beim Gehen die Augen immer öfter und weiter in diese verzerrenden Bereiche bringt? Und was ist außerdem, wenn durch meine Geh-Schritte der Kopf vertikal vibriert?

THERAPIE

Meine Schuhe haben nun weiche Sohlen und zusätzlich eingelegte Fersenkissen. Weiters ließ ich mir Einstärken-Brillen anfertigen, eine für die Ferne und eine für die Nähe, und siehe da, bei Verwendung dieser anstelle der Gleitsichtbrille wurde der Schwindel geringer. Nach einiger Umgewöhnungszeit von etwa zwei Wochen ist noch eine geringe Stärke von Schwindel und Rückenschmerzen vorhanden, aber ich kann sagen, dass ich nicht mehr sturzgefährdet durch Schwindel bin (siehe Darstellung meiner Vermutung auf den nächsten Seiten). Es bleibt allerdings in den Beinen die Muskelschwäche und die PNP, die Stürze verursachen können.

Mögliche Faktoren für meinen Schwindel beim Sehen

Bewegung meines Kopfes durch das Gehen in vertikaler Richtung

Bewegung meines Kopfes durch den Tremor in horizontaler Richtung

Meine Gleitsichtbrille und ihre optischen Bereiche

  • Oben sind 3 verschiedene Schwindelfaktoren für mein Sehen beschrieben.
  • Wenn davon 2 Faktoren zugleich zutreffen, kann mein Gehirn das optische Bild meist verarbeiten.
  • Wenn alle 3 Faktoren zutreffen, ist mein Gehirn überfordert und reagiert mit Schwindel.

Zur Untermauerung der vorangegangenen Überlegungen habe ich einen 3-Achsen- Beschleunigungsmesser an meiner Stirn befestigt und nachfolgende Messungen der Beschleunigung des Kopfes vorgenommen. Die Messergebnisse sind in nebenstehenden Diagrammen abgebildet (y-Achse Einheit g).

Die obere Kurve (grün) zeigt die vertikalen Beschleunigungen beim Sitzen oder Gehen und die untere Kurve (schwarz) zeigt die horizontale Zitterbewegung.

Im linken Bild zeigt die Messung im ruhigen Sitzen praktisch keine vertikale Beschleunigung und nur geringe horizontale Beschleunigungen durch den Tremor.

Im rechten Bild zeigt die Messung im Gehen eine Vertikalbeschleunigung, die im Rhythmus der Schritte charakteristische Spitzen nach oben aufweist. Gleichzeitig ist auch eine beträchtliche horizontale Zitterbeschleunigung zu erkennen. Beide Ausschläge erreichen Werte bis ± 0,4g und bilden Summen in alle Richtungen.

Diese ständige Umorientierung der Richtung dürfte mein Gehirn ziemlich fordern. Wenn dann noch Bildverzerrungen einer Gleitsichtbrille dazu kommen, kann das – im Unterschied zu einer Beschleunigung in nur einer Richtung – in meinem Gehirn nicht ausgeglichen werden und führt zu Schwindel.

Ernst Reinwein, geb 25.1.1945 Wien

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