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Corona hat alles umgedreht. Das Homeoffice erfuhr einen ungeahnten Boom, welcher auch so schnell nicht mehr abebben wird. Unternehmen veräußerten ganze Büroinfrastrukturen und adaptierten die Arbeitsverträge mit den entsprechenden Homeoffice Parametern.

Die Freiwilligkeit für Homeoffice ist nun immer mehr dem Standard in der Arbeitswelt gewichen. Wie gesagt, die einen begrüßen es auf das herzlichste und die anderen werden mitunter mit angehobenen Augenbrauen bemitleidet. Die Konstellationen sind einfach zu verschieden, als dass man diese auf einen gemeinsamen Nenner bringen kann.

Im Familienverbund mit herumwuselnden Kleinkindern die Pivot-Tabelle in Excel zu pflegen, kann man schon als Herausforderung betrachten, um im gepflegten Neudeutsch zu verharren. Andere sitzen wiederum alleine daheim und führen manchmal schon Zwiegespräche mit ihrer Raufasertapete. Beide Konstellationen kann man natürlich noch mit persönlichen Gegebenheiten erweitern, sind aber keinesfalls wünschenswert.

Die vulnerable Gruppe der alten weißen Männer fühlt sich weiters wie vor den Kopf gestoßen. Beraubt ihres einzigen anerkannten Rückzuggebietes sind sie nun Dank Homeoffice permanent mit der anstehenden Hausarbeit und den Mitbewohnern konfrontiert. Das geht natürlich nicht für alle gut. Einerseits erspart man sich zwar den Anfahrtsweg inklusive der dadurch anfallenden Reisekosten. Andererseits wendet man nun diese gewonnene Zeit mitunter für die persönliche Verpflegung auf. Ganz zu schweigen von den Energiekosten, welche nun daheim ungebremst aufschlagen.

An den Trend zum Großraumbüro mit den voll verglasten Meetingräumen hat man sich mittlerweile schon gewöhnt. Jüngere Arbeitnehmer kennen es gar nicht anders und die Älteren hadern ein bisschen damit. Auch durch die gesellschaftliche Entwicklung sind diese Konzepte der Bürogestaltung vor allem dem vorherrschenden Sicherheitsgedanken geschuldet.

Lustig wird es immer dann, wenn man sich doch einmal zu einem Meeting in der Firma trifft. Manchen kann man den Schock die ersten zehn Minuten schon ansehen, wenn sie ihren Tischnachbarn nach einem Jahr wieder live erleben. Sowohl visuell als auch nasal. Zoom und Teams sind mit ihren Weichfiltern da schon sehr entgegenkommend und kennen natürlich ihre Kunden.

Unbestritten bleibt jedoch trotz all dieser breitgefächerten Ansichten, dass in der Regel mehr im Homeoffice gearbeitet wird. Nicht jeder kann auf ein separates Arbeitszimmer verweisen und so ist der Arbeitsplatz daheim auch stets im Blickfeld und taktil gut erreichbar.

Um dem ganzen Ungemach vorzubeugen, kaufte ich mir kurzerhand um 30 Euro eine Jahreskarte für die Österreichische Nationalbibliothek. Warum? Keine Ahnung. Auf dem Weg nach Hause kam ich zufällig an der Baracke von unserem obersten Hausmeister VdB vorbei. Beseelt von dem plötzlichen Gedanken, hier ein ungestörtes Plätzchen für das Verfassen meiner Artikel zu ergattern, enterte ich nun wildentschlossen die heiligen Hallen. Und es war alles da. Ruhe, oder zumindest nur ein gedämpfter Unterhaltungston, reichlich Platz, kein allzu schäbiges Ambiente mit Raufasertapeten, WLAN, Öffnungszeiten bis 21 Uhr und kein aufgedrängter Konsumzwang. Selbst mein provokanter Nachdenkstil in Form des allgemein verhassten »manspreading« wurde teilnahmslos goutiert. Also Ruhe beim Schreiben und wenn man kurz Zerstreuung braucht, einfach zurücklehnen und das Publikum beobachten. Notfalls kann man auch provokant einen Euro in den Kaffeeautomaten hineinbugsieren, damit ein bisschen Action aufkommt. Passt auch. Somit hatte ich auch hier ein adäquates Rückzugsgebiet, um das altehrwürdige Gemäuer an meinen Gedanken teilhaben zu lassen. Währte aber nicht lange, da Corona mit einem mittelschweren Verlauf nun meine Aktivitäten extrem heruntergefahren hat. Was solls, lieber Corona als Covid.
Man liest sich
Gruß Günter

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