Ausnahmen vom Datenschutz
Für Private und Medien gilt die Datenschutzgrundverordnung nicht oder nur teilweise
Als wir vor vier Jahren von der Datenschutzgrundverordnung überrascht wurden, durften wir lernen: Personenbezogene Daten und die Rechte daran werden nun umfassend geschützt. Alle Verarbeiter haben strenge Auflagen zu beachten – zumindest von der Intention her. Verarbeitung darf nur nach klaren Rechtsgrundlagen erfolgen. Wir alle besitzen nun unter anderem das Recht auf vollständige Auskunft sowie – in Maßen – auch das Recht auf Löschung. Und dann gibt es noch weitere Rechte wie die Rechte auf Einschränkung, Interoperabilität, Richtigstellung, …
Sogar für US-Unternehmen sollten die Regeln gelten – nämlich dann, wenn sie ihre Leistungen in Europa anbieten bzw. hier Filialen unterhalten. So nimmt es nicht wunder, dass Google und Facebook immer wieder mit Anfragen und gelegentlich auch mit Verfahren konfrontiert werden. Hin und wieder setzt es sogar Strafen in vielfacher Millionenhöhe.
Was weniger bekannt ist, sind die Ausnahmen.
Ausnahme für Privatpersonen
Artikel 2 (2) c DSGVO sagt, dass natürliche Personen, die personenbezogene Daten verarbeiten, bei „Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ von den ansonsten geltenden Datenschutzpflichten ausgenommen sind. Es braucht also keinen Rechtsgrund zur Verarbeitung, wenn man Tabellen mit Familienmitgliedern oder Freundinnen oder Freunden anlegt. Man muss sich nicht überlegen, wie man möglichst wenigen Daten auskommt, man muss keine Backups anlegen usw. usf.
Und, in der Praxis bedeutender, man muss die betreffenden Personen auch nicht verständigen. Vereinfacht gesagt: Wer Daten von Familienmitgliedern, Freunden oder Nachbarn speichert und verarbeitet tut einfach, wie er will. Auch Anfragen über gespeicherte Daten, Löschbegehren oder Richtigstellungswünsche müssen nicht erledigt werden. Denn: Ausnahme vom Datenschutzrecht
Ob es allerdings besonders schlau ist, einem nachfragenden Cousin oder Nachbarn nicht mitzuteilen, was man über ihn speichert, möge jede(r) von uns selbst entscheiden.
Achtung: Auch private Newsletter unterliegen trotzdem dem Telekommunikationsgesetz und – hinsichtlich Impressums – auch dem Mediengesetz. Das ist aber ein anderes Thema …
Ausnahme für Medien
Diese Sache ist etwas komplizierter. Dazu muss ich ausholen. In der DSGVO gibt es zahlreiche Punkte, welche den jeweiligen nationalen Gesetzgebern zur konkreten Ausgestaltung überlassen sind. Man nennt das Öffnungsklauseln. Im Bereich der DSGVO sind es sogar sehr viele.[1]
Bespiel ist etwa das Alter, ab dem ein junger Mensch autonom – also ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten – „Dienste der Informationsgesellschaft“ nutzen darf. Dieses Alter dürfen nationale Parlamente autonom regeln.
Ein anderer Punkt ist, wann und in welchem Umfang Medien in die DSGVO einbezogen oder davon ausgeschlossen sind. Die Idee dahinter ist, dass Medien eine so wichtige Säule der Demokratie darstellen, sodass hier die nationalen Gesetzgeber als optimale Regelungsinstanz angesehen werden.
In Österreich wurde das sogenannte Medienprivileg im Datenschutz folgendermaßen geregelt (DSGVO Artikel 85 Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit [2], Datenschutzgesetz, §9 Artikel 2 [3]):
„Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinne des Mediengesetzes“ sind „zu journalistischen Zwecken“ von zahlreichen Pflichten der DSGVO ausgenommen. Sie können also personenbezogene Daten, ohne auf Datenschutzbestimmungen achten zu müssen erheben, speichern, verarbeiten, weitergeben. Sie müssen die betreffenden Personen nicht vorab oder anschließend informieren. Sie müssen AnfragerInnen keine Auskunft erteilen und müssen – aus Datenschutzsicht – auf Begehr auch keine Daten löschen. Medienrechtliche Bestimmungen und Pflichten gelten aber klarerweise.
Soweit klar? Leider nein. Recht klar ist „zu journalistischen Zwecken“. Das bedeutet, dass Arbeitsunterlagen, Rohtexte, Interviewaufzeichnungen, Artikel in diversen Stadien, Fotos, Tabellen, Charts und Karikaturen von der DSGVO wohl ausgenommen sind, aber etwa Verrechnungsdaten, Daten im Anzeigenbereich, Daten für Abonnements oder hinsichtlich Bezahlung der MitarbeiterInnen wahrscheinlich schon der DSGVO unterliegen. Denn kaufmännische Daten folgen wahrscheinlich nicht journalistischen Zwecken.
Viel schwieriger ist aber die Beurteilung wer „Medienunternehmen oder Mediendienste im Sinne des Mediengesetzes“ sind. Hier sollte zwar ein Blick ins Mediengesetz helfen – tut er aber nicht – die Regeln sind kompliziert und unklar. Auch FachjuristInnen sind nicht einig.
Recht klar ist, dass Krone, Kurier, Standard, Presse, ORF & Co. unter diese Regelung fallen. Das sind zweifellos Medienunternehmen. Aber was eine Gemeinde, die eine Gemeindezeitung betreibt? Was ist ein Blogger? Was ist eine Vereinszeitung? Was eine Vereinshomepage?
Alle diese werden wir wohl auf den ersten Blick nicht als Medienunternehmen oder Mediendienste ansehen. Jedoch: Nach gängiger juristischer Sichtweise, gestützt auf Gerichtsurteile, soll „Bürgerjournalismus“ ausdrücklich weitreichenden Schutz genießen – somit auch unter das Medienprivileg fallen.
Der Europäische Gerichtshof [4] erkannte dazu:
Die in Art 9 Datenschutz-RL vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen gelten nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist
Der Jurist Paul Firlei vom Bundeskanzleramt sieht den Knackpunkt bei den journalistischen Zwecken [5] und zitiert dazu den Erwägungsgrund 153 der DSGVO wonach
..Begriffe wie „Journalismus, weit auszulegen sind, „um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen“
Wenn wir die journalistischen Zwecke so verstehen, dass damit recherchierte Beiträge und Meinungen umfasst sind, dann wären Dienste und Printmedien und Portale die dergleichen „bringen“ vom Medienprivileg umfasst.
Dienste, Printmedien und Portale die zum Beispiel nur amtliche Mitteilungen (z.B. Gemeindezeitung) oder Gesetzestexte oder Normen transportieren, wären dann möglicherweise nicht „im Genuss“ des Medienprivilegs.
Es gibt aber auch die Rechtsmeinung, dass es ausreichen könnte, es „ausschließlich zum Ziel“ (zu) „haben, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten“ um privilegiert zu sein.
Mit diesem Ziel wäre praktisch jeder und jeder, der irgendwas an die Öffentlichkeit bringt, vom Medienprivileg umfasst und daher geschützt.
Wie immer bei nicht ganz klar definierten gesetzlichen Themen empfiehlt es sich aber, auf der Seite der Vorsicht zu bleiben. Auch der Betreiber eines Webportals ist ja nicht daran gehindert, die DSGVO voll einzuhalten – selbst, wenn er ihr möglicherweise nur teilweise unterliegen sollte.
Als weiterführende Lektüre empfehle ich hier ausdrücklich das pdf von Herrn Firlei, siehe Fußnote (5).
Autor
Dipl.Ing. Dieter Zoubek, geb. 1959, ist Informatiker und Datenschutzbeauftragter zahlreicher Institutionen
Fußnoten
[1] https://www.infolaw.at/downloads/mag_georg_fellner_ll_m-oeffnungsklauseln_der_dsgvo-2017-05-05.pdf
[2] https://www.jusline.at/gesetz/dsgvo/paragraf/85
[3] https://www.jusline.at/gesetz/dsg/paragraf/artikel2zu9
[4] EuGH 16.12.2008, Rs C-73/07
[5] https://rem.ac.at/documents/Firlei_2018.pdf
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