Sprachenlernen mit Suchtfaktor

Duolingo als App oder als PC-Applikation

A., IT-begeisterter Rechtsanwalt im Ruhestand, liebt die chinesische Kultur sowie Land und Leute und will sich endlich auch mit seinen asiatischen Freunden in Wien in ihrer Muttersprache unterhalten können.

B., Systemanalytikerin und Data Warehouse-Spezialistin, liebt Reisen um die Welt und will noch besser Spanisch und Englisch „können“

M., Unternehmer in Berlin, hat sich in seiner Studienzeit mit Italienischlektionen am SmartPhone auf ein Semester in Mailand vorbereitet.

G., pensionierter Informatikprofessor misst sich an sich selbst und an anderen Mitstreitern, und trainiert Französisch, Spanisch und Italienisch – manchmal absolviert er dutzende Lektonen an einem Tag.

Und D., der Autor dieser Zeilen, lernt Tschechisch, weil er seinen Wurzeln näher sein will, Italienisch für den Urlaub, Arabisch als Denksportherausforderung und nach 45 Jahren wieder Lateinisch, weil drei Sprachen einfach noch nicht genug waren.

Was Duolingo wirklich ist, ist nicht ganz einfach, korrekt und vollständig zu beschreiben. Ja, es ist eine App um Sprachen zu lernen. Das trifft es, aber es trifft es nicht völlig richtig. Denn: Duolingo ist irgendwie auch ein Spiel, ein bisschen ein soziales Netzwerk. Jedenfalls zieht es viele Menschen so sehr an, wie das vielleicht vor 10 Jahren auf Facebook, vor 3 Jahren auf Instagram oder heute auf TikTok und auf andere soziale Netzwerke zugetroffen hat.

Im Wesentlichen funktioniert es so: Man ruft Duolingo auf[1] und verpasst sich einen Account – meistens wird das ein Pseudonym sein. (Der Autor dieser Zeilen bevorzugt allerdings Klarnamen, wo immer er im Netz unterwegs ist.)

Dann sucht man sich eine Sprache aus, die man lernen oder trainieren will. Doch Achtung! Wenn man als Bedienersprache deutsch ausgewählt hat, stehen nur sehr wenige Sprachen zur Verfügung. „Gscheit“ ist das Angebot nur, wenn als Bedienersprache Englisch gewählt wird. Die „gängigen“ Sprachen dieser Welt sind im Angebot, zusätzlich „Regenbogensprachen“ wie Hawaiianisch und Navajo. Auch Extraterrestrisches wie das notorische Klingonisch kann man belegen.

Laut Unternehmenshomepage werden derzeit 106 Sprachen angeboten.

Interessanterweise und leider werden aber die Sprachen von Ex-Jugoslawien (derzeit noch?) nicht angeboten. Schade – denn das wird im Freundeskreis dringend erwartet.

Nach der Sprachwahl steht ein Einstufungstest. Verstehen von Worten, von Sätzen, schriftlich wie auditiv. Danach kennt das System die Kompetenzhöhe des Anwenders, Anwenderin und bietet die optimale Anfangslektion an.

Im nächsten Schritt kann bereits eine Lektion ausgewählt werden. Anfangs steht immer nur eine Lektionengruppe zur Verfügung. Nach steigender Kompetenz wird die Auswahlmöglichkeit größer. Das System ist immer so aufgebaut, dass jede Lektion einer Lektionengruppe auf die vorangegangene aufbaut und nur gewählt werden kann, wenn die vorhergehenden erfolgreich absolviert wurden.

Klingt einfach? Ist es auch. Grammatik wird immer nur intuitiv vermittelt und niemals abgeprüft. Duolingo zeigt Buchstaben, Silben, Worte und Sätze. UserInnen lernen sie zu erkennen, zu wiederholen, selbst darin Muster zu erkennen und – später – das Gelernte sinnreich anzuwenden. In Wahrheit ist das Ganze ein Denkspiel mit Sprache – Menschen mit Faible für logische Herausforderungen werden wahrscheinlich besonders von diesem System angezogen.

Wie funktionieren Üben und Lernen? Sehr einfach. Eine Möglichkeit besteht darin, dass Duolingo Worte oder einen ganzen Satz akustisch anbietet und User sollen ihn verschriftlichen. Anfangs geht das mit dem Anchecken von Boxen die die Verschriftlichung enthalten. Später wird es schwieriger und wir Anwender müssen Buchstaben, Silben, Worte, Sätze tippen.

Oft werden auch unvollständige Sätze mit einer Lücke angeboten – für die Lücke gibt es eine Auswahl von Worten, aus denen User eine Entscheidung zum Einsetzen treffen sollen.

Sehr viel läuft über Sprachtabellen. Links die eine Sprache, rechts die andere. Durch Antippen sollen die Gleichheitspaare gekennzeichnet werden.

Oft sind zu lernende Sätze „vernünftig“ und können im Alltagsleben nützlich sein. Oft aber sind die Sätze sprachlich korrekt, faktisch eher sinnlos aber lustig – wie zum Beispiel „In meinem Stiefel ist eine Schlange“ oder „Ich bin ein kleines blaues Ding“.

Ähnlich wie viele andere Apps bietet Duolingo auch an, bekannte Personen unter den bereits registrierten Duolinguanern anzuzeigen. Mit diesen kann man sich vernetzen und kann den täglichen oder wöchentlichen Fortschritt sehen. Diese Funktionalität wurde bei anderen Apps bereits als Datenschutzproblem erkannt. Diverse Privacy-Websites sehen bei Duolingo nicht zuletzt deswegen Mängel beim Datenschutz.

Mehr Infos als die täglichen Erfolge erhält man von Vernetzungspartnern allerdings nicht – also weder bei welchen Sprachen gerade gelernt wurde, noch was sie gerade konkret gelernt hatten. Bei diesem Aspekt sind also keine allzu großen Datenschutzbedenken anzustellen.

Zeichensatz

Bei Sprachen deren Zeichensatz vom Deutschen abweicht, ist es sehr sinnvoll, am betreffenden Gerät die korrekte Sprachversion der Tastatur zu installieren. Dies ist am SmartPhone deutlich besser gelöst als am PC (das liegt aber nicht an Duolingo sondern am jeweiligen Betriebssystem). Sprachen wie z.B. Tschechisch oder Russisch lassen sich daher am SmartPhone besser üben als am Windows, Linux oder Apple-Laptop oder Stand-PC.

Eher erratisch ist das Punktesystem. Es gibt mehrere Zählungen von Punkten, Herzen, Kronen, Truhen und Flammen – eher unverständlich; das Verständnis ist für die Anwendung auch kaum notwendig. Relevant dabei ist nur, dass Fehler beim Üben Punkte kosten und fehlerlos absolvierte Lektionen Zusatzpunkte bringen. Hat man einmal ein Punktekontingent aufgebraucht, wird man aufgefordert in den Bezahlmodus zu wechseln oder muss einige Stunden warten. Klar – so kann man als App-Anbieter zahlende Kunden gewinnen.

Freeware oder Payware: Alle User, die der Autor dieser Zeilen kennt, nutzen das Freeware-Modell. Damit lässt sich die App mehr oder weniger vollständig nutzen. Allerdings kommen nach Ende jeder Lektion immer einige Sekunden Werbung – da muss man halt durch. In der Payware gibt es dem Vernehmen nach auch zusätzliche Trainingsmöglichkeiten bei speziellen Bedürfnissen oder Defiziten. Anzunehmen ist, dass zahlende UserInnen von der durchaus nervigen Werbung verschont bleiben.

Irgendwie witzig sind zahllose animierte Kurz-Comics in denen durchwegs eine anthropoid dargestellte Eule vorkommt. Die Comics thematisieren Erfolg und Emotion und dienen daher – wohl erfolgreich – der Nutzungsfreude.

Praktischer Nutzen

Duolingo scheint in erster Linie das grundsätzliche Verständnis und das passive Nutzen einer Sprache zu trainieren. Dem Vernehmen nach und nach eigener Wahrnehmung ist der Erfolg bei der aktiven Nutzung, also beim Schreiben und Sprechen einer Sprache tendenziell gering.

Duolingo versucht viele Menschen zur täglichen Nutzung zu bewegen. Klar: Werbung – siehe oben. Da bei Tagen ohne Training Punkteabzüge stattfinden sind Anwenderinnen durchaus gedrängt, keinen Tag des Lernens – und damit des Werbekonsums – auszulassen.

Neben diesem systemgewollten Druck scheint aber auch eine mentale Suchtgefahr zu bestehen – tatsächlich kann es sein, dass man die nächste Lektion als Selbstbelohnung empfindet und ohne diese Selbstbelohnung unzufrieden ist. Das dürfte der Definition von Sucht recht nahekommen.

Insgesamt: Duolingo macht Spaß. Zeigt gewissen praktischen Nutzen. Nachteile bestehen, sind aber möglicherweise bewältigbar.

Duolingo-Gründer Luis von Ahn, ein Informatikprofessor guatemaltekischer Herkunft, sagte dazu in einem durchaus lesenswerten Forbes-Interview (siehe Linkliste) recht deutlich: „A significant portion of our users use it because it’s fun and it’s not a complete waste of time“

Weiterführende Infos


[1] Am SmartPhone installiert man dazu die App. Im Browser ruft man https://www.duolingo.com/ auf. Achtung: Sprachauswahl rechts oben

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