Hörgerät für Arme
Anlass
Es war Freitag, der 13. und ich setzte mich wie jeden Tag um 7:00 zum PC, um den digitalen Alltag zu beginnen. Den täglichen Ruf „Frühstück“ von Silvia um 8:00 hörte ich aber nicht. Ich hörte auch das Radio nicht, nichts! Man muss neuerdings schreien mit mir.
Der totale Hörverlust kam plötzlich, kündigte sich aber bereits seit einem halben Jahr an. Bisher gab es eine Art „Workaround“, denn mit einer Druckausgleichsübung für Taucher konnte ich die mit einem Viren-Bakterienmix verstopfte Druckausgleichsröhre zwischen Ohr und Rachen etwas freibekommen. Aber an diesem Freitag war Schluss, alle diese Übungen haben nicht mehr geholfen.
Die Tinktur des HNO nehme ich zwar, allerdings ohne „hörbaren“ Erfolg. Was die geplante Ohren-Nasen-CT ergeben wird, weiß ich nicht, die Wartezeit beträgt etwa 10 Tage.
Gemeinsames Fernsehen wurde durch diesen Mangel verunmöglicht. Wenn die Lautstärke für den Franz gerade noch ausreicht, wandern die Normalhörenden bereits aus. Und umgekehrt -. mit normaler Lautstärke – muss sich der Franz um einen Lippenlesekurs umschauen.
Hören über Kopfhörer
Interessanterweise kann ich telefonieren, weil der Schall in diesem Fall über die Knochen geleitet wird. Das brachte mich auf die Idee, das Fernsehprogrammüber den Kopfhörer mitzuverfolgen.
Seit meinem ersten Krankenhausaufenthalt habe ich einen tollen Kopfhörer, einen SONY WH-1000XM4, und ich versuchte, die Fernsehsendungen über diesen Kopfhörer anzuhören, und siehe da, der Kopfhörer ist eine Lösung für mein Problem, denn ich kann den Stream am Handy mit dem Kopfhörer ausreichend laut hören.
Prinzipiell funktioniert also das Handy-Fernsehen mit Kopfhörer, aber der Zeitversatz ist so groß, dass gerade das gemeinsame Hören nicht funktioniert. Weitere Versuche, den Stream am Fernseher wiederzugeben und am Handy mitzuhören, ergaben auch einen unangenehmen Zeitversatz. Der Kopfhörer am Handy ist für Radio und Fernsehen ein Behelf, aber im Alltag hilft das nicht weiter.
In der kommenden Woche gibt es jede Menge lang geplantes Programm: ein Konzert im Konzerthaus, eine Vorstellung von Alex Kristan im Orpheum und ein Kabarettabend mit Malarina und den Gebrüdern Moped im Stadtsaal. Ohne Gehör sind diese Aufführungen weniger interessant.
Mikrofon und Vorverstärker
Weil das Hören mit dem Kopfhörer eine Lösung für mein Problem ist, brachte mich das auf die Idee, ein Mikrofon an den Kopfhörer anzustecken. Leider benötigen Mikrofone sehr empfindliche Eingänge und der Kopfhörer kann mit dem zu schwachen Signal nichts anfangen. Außerdem war mein Mikrofon aus der Bastelkiste viel zu groß für den Alltagsgebrauch. Kurzerhand bei Amazon gestöbert und folgendes gefunden:
- Lavalier Ansteckmikrofon für 48 V Phantomspeisung (ca. 30,- €)
- Mikrofonvorverstärker (ca, 50,- €)
Ich wählte eine beschleunigte Zustellung, und tatsächlich waren die Teile am Freitag, rechtszeitig vor dem Wochenende, angekommen.
Niemand muss mich mehr anschreien! Der HNO wird schauen, wenn ich beim nächsten Termin mit den Kopfhörern erscheine. Heute Abend ist ein kleines Fest angesagt. Erstmals Fernsehen bei Zimmerlautstärke, dank einem selbstbebastelten Hörgerät.
Wenn ich also wo mit einem Kopfhörer aufkreuze, dann habe ich auch gleichzeitig ein Mikrofon angesteckt und in der Tasche einen Vorverstärker, und damit kann ich die ansonsten zu leisen Umgebungsgeräusche gut wahrnehmen.
Details
Das Mikrofon ist ein Lavaliermikrofon (Kondensatormikrofon mit 48 V Ühantomspeisung). Die Steckverbindung zwischen Mikrofon und Vorverstärker heißt XLR und ist in der Studiotechnik praktisch ein Standard. In dem Vorverstärker sind zwei 1,5V-Batterien, die den Verstärker versorgen und gleichzeitig auch die 48 V Gleichspannung für das Mikrofon erzeugen. Für die Verbindung vom Vorverstärker zum Abnehmer ist eine 3,5mm-Klinkenverbindung bereits fix angeschlossen, und klarerweise war das meine erste Wahl. Kein Erfolg, der Kopfhörer schwieg.
Diesen Artikel gibt es nur, weil diese Kombination schließlich doch gut funktioniert. Ich entdeckte im Gehäuse des Vorverstärkers eine Klinkenbuchse mit einem Kopfhörer-Symbol, und über diese Buchse kann man ein ausreichend kräftiges Signal für die Ansteuerung des Kopfhörers entnehmen. Die fix angebaute Klinkenverbindung bleibt unbenutzt.
Der erste Fernsehabend mit dem „Hörgerät“ zeigte, dass die Battereien im Vorverstärker etwa 5 Stunden durchhalten. Danach überlagert sich dem Signal vom Mikrofon ein Störgeräusch. Offenbar werden die 42 V nicht mehr stabil genug hergestellt.
Noch einfacher
Eigentlich besitzt ein Handy alle Zutaten, ein solches „Hörgerät“ zu implementieren. Die Android-App „Mikrofon Lautsprecher“ leistet genau das, nämlich das vom Mikrofon aufgenommene Signal über Bluetooth an einen Lautsprecher zu senden. Allerdings hat diese App den Nachteil, dass das Signal mit einer deutlichen Zeitverzögerung wiedergegeben wird. sodass der der verstärkte Ton einige 100 ms nach dem Original-Ton wiedergegeben wird, Der Vorteil: man benötigt kein Mikrofon und auch keinen Vorverstärker.
Franz war pensionierter HTL Lehrer (TGM), Präsident von ClubComputer, Herausgeber der Clubzeitung PCNEWS und betreute unser Clubtelefon und Internet Support. Er war leidenschaftlicher Rapid Wien Fan. Er ist leider Anfang Jänner 2024 nach langer schwerer Krankheit verstorben.
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