Als ich vor zwei Jahren ein neues Handy kaufte, war ich von der Kapazität des Akkus begeistert, man konnte das Handy zwei Tage lang betreiben. Heute ist diese Zeit auf einen Tag geschrumpft und ich bin mittlerweile immer mit einem mobilen Ladegerät unterwegs, um eventuelle Ausfälle wegen zu geringer Akkukapazität überbrücken zu können.
Elektroautos (BEV Battery Electric Vehicle) benutzen als Energiespeicher – so wie das Handy – ebenfalls einen Lithium-Ionen-Akkumulator. Diese Hochleistungsbatterien im Elektroauto würden ohne besondere Vorkehrungen einem ähnlichen Alterungsprozess unterliegen wie der Akku eines Handys. Durch konstruktive und software-unterstütze Maßnahmen sowie durch Handhabungsempfehlungen versuchen die Hersteller die Lebensdauer der Autoakkus zu verlängern.
Hersteller geben lange Garantiezeiten auf die Autobatterie (bei VW sind es 8 Jahre oder 160.000 km) und das hat Folgen für die Benutzung des Akku. Hier eine Empfehlung von VW für die Pflege der Hochvolt-Batterie.
(Übrigens besitzen Elektroautos zwei Akkus: den Hochvolt-Akku für den Antrieb und eine normale 12 V Batterie zur Versorgung der Elektronik und Beleuchtung.)
Das Tanken eines Verbrenners und das Laden eines Elektrofahrzeugs unterscheiden sich erheblich. Die erzielbare Reichweite eines Elektroautos kann – insbesondere im Winter – erheblich von der Datenblattangabe abweichen.
WLTP-Reichweite
WLTP Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure
WLTP beschreibt einen halbstündiger Test mit gemischter Fahrweise mit vier Abschnitten mit 56, 77, 97 und 131 km/h.
Zwar kann man die WLTP-Reichweite laut Datenblatt durchaus zum Vergleich von Elektrofahrzeugen verwenden, doch darf man – anders als im Verbrenner – nicht annehmen, dass man diese Strecke auch ohne Weiteres fahren kann, denn dem stehen die Empfehlungen der Hersteller entgegen.
Wenn dem Elektroauto ein Wohlfühlklima geboten wird, also keine Verbraucher zugeschaltet sind, es keine Zuladung gibt, man keinen großen Gegenwind hat und der Fahrer zurückhaltend fährt, kann es schon sein, dass man den Verbrauch in die Nähe der Datenblattangabe der WLTP-Reichweite senkt. Verbrauchssteigernd und dadurch reichweitenverringernd wirken im Sommer die Klimaanlage, im Winter die Heizung. Im Winter wirkt sich darüber hinaus auch die Akkuheizung aus, die den Akku auf Betriebstemperatur bringen muss.
Ladeverluste
Um einen Akku mit 60 kWh voll zu laden, muss man etwas mehr Energie aufwenden als es der Kapazität des Akkus entspricht, also vielleicht 65 kWh.
Man zahlt also mehr als man dann tatsächlich nutzen kann. Der Verbrauch, berechnet über die Zapfsäulenrechnung ist höher als der Verbrauch, den man im Auto angezeigt bekommt. Im Beitrag „Nie wieder tanken“ wird ein Vergleichstest des ADAC grafisch ausgewertet und die Ladeverluste im Schnitt mit etwa 15% ermittelt.
Beispiel: Tankrechnungen im Jänner 2021
Rechnungsangaben
11 kW Ladepunkte
9,35 h Ladezeit
27,12 € Rechnungsbetrag
Anzeige im Fahrzeug
480 km gefahren
19,8 kWh/100 km
Aus der Tankrechnung
102,85 kWh geladen (11×9,35)
21,43 kWh/100 km (102,85/4,8)
5,65 €/100 km (27,12/4,8)
Der Verbrauch, den man aus der Tankrechnung ermittelt, ist mit 21,43 kWh/100 km wegen der Ladeverluste um etwa 8 % höher als der im Fahrzeug angezeigte Verbrauch von 19.8 kWh/100 km.
Da bei den 11 kW-Ladepunkten pro Zeit verrechnet wird, kann ein Mehrverbrauch beim Laden auch dadurch zustande kommen, dass der Akku diese 11 kW wegen der Ladekurve nicht aufnimmt. Siehe Beitrag Ladepreise.
Volltanken
Die Leistungsfähigkeit eines Akkus nimmt ab wenn man ihn zu voll lädt und ebenso, wenn man ihn bis zum „letzten Tropfen“ leert und dann das Auto abstellt.
Die Hersteller verhindern sowohl die Überladung als auch die Tiefentladung indem sie dem Fahrer nicht die ganze Brutto-Kapazität des Akku, sondern nur eine geringere Netto-Kapazität zur Verfügung stellen. Man kann also den Akku nicht bis 100% laden und ebenso kann man ihn nicht vollständig entladen. (Im folgenden Bild violett dargestellt.)
Auto abstellen
Es wird grundsätzlich nicht empfohlen, das Elektroauto abzustellen, wenn der Akku mehr als 80% oder weniger als 20% geladen ist. (Im Bild hellgrün dargestellt.)
Wenn also ein Elektroauto eine theoretische Reichweite von 400 km hätte (von 100% auf 0% Akkuladung), dann soll man diese in dieser Form nicht ausnutzen, sondern darauf achten, dass man das Elektroauto im Alltag, bei Kurzstrecken, nur zwischen 20% und 80% der Nettoladung bewegt. Man darf also nicht mit einem Ladeintervall rechnen, das sich an der Reichweite des vollen Akkus orientiert, sondern an der Reichweite, die sich durch den Abstand zwischen 20% und 80% ergibt, d.h. die praktische (Kurzstrecken-)Reichweite ist nicht 400 km, sondern auf 240 km reduziert (400*0,8-400*0,2).
Bei Fernfahrten kann natürlich auf 100% aufgeladen werden, nur sollte man dann unverzüglich die Fahrt antreten.
Akkuheizung
Alle diese Daten gelten für eine Umgebungstemperatur von 20° C. Wenn die Temperaturen winterlich werden und das Elektroauto nicht in einer temperierten Garage steht, kühlt auch der Akku ab. Und der Betrieb eines Akku bei tiefen Temperaturen ist seiner Lebensdauer nicht zuträglich. Aus diesem Grund sorgt eine Akkuheizung bei tiefen Temperaturen für eine ausreichende Erwärmung des Akku. Die Energie dazu liefert sich der Akku selbst und steigert damit den Verbrauch im Winter auf Kurzstrecken. Wenn nämlich die erforderliche Betriebstemperatur erreicht ist, schaltet die Akkuheizung ab. Je kürzer die gefahrene Strecke, desto mehr wirkt sich dieser zusätzliche Verbrauch aus.
In einem kurzweiligen YouTube-Video beschreibt ein Berliner Laterndlparker, dass die Reichweite von sommerlichen 400 km im Winter bis auf nur 100 km zurück gehen kann, wenn man nur kurze Strecken fährt, weil viel Energie darauf verwendet wird, die Batterie auf Betriebstemperatur zu bringen.
„Der Familientester“ hat den Verbrauch bei 3,5 Grad Außentemperatur über einer Strecke von 36 km aufgezeichnet, einmal mit einem kalten Akku und dann mit einem vorgeheizten Akku. Man kann sehr gut sehen, dass der Verbrauch bei Beginn der Fahrt und ohne vorgeheizten Akku extrem hoch ist. Fahrer, die nur kurze Strecken zurücklegen, müssen mit einem extremen Verbrauch rechnen; Vorheizen kann helfen.
Auch wenn man den Verbrauch am Ende der Fahrt betrachtet, liegt dieser weit über dem WLTP-Verbrauch von 15 kWh/100 km. Man muss bedenken, dass die Heizung, Sitzheizung und Lenkradheizung eingeschaltet sind.
„Pfegehinweise“ für einen Autoakku
- Im abgestellten Zustand nicht über 80% und nicht unter 20% (40% im Winter) laden.
- Vollladen nur unmittelbar vor Antritt einer längeren Fahrt.
- Bevorzugt langsam laden (AC).
- Ionity-Schelllader entlang der Autobahnen nur für Fernfahrten verwenden
Die blaue Kurve zeigt, wie die Reichweite in Abhängigkeit vom Verbrauch sinkt.
Der rot markierte Bereich beschreibt die Herstellerangaben. Hellrot ist der Bereich der Datenblatt-Reichweite, der dunkelrot markierte Bereich ist die WLTP-Reichweite.
Mit zusätzlichen Verbrauchern kann der Verbrauch durchaus bis in den Bereich von 40 kWh/100 km und mehr ansteigen. Das ist bei Kurzstrecken im Winterbetrieb der Fall.
Links
- Lithium-Ionen-Akkumulator (Wikipedia)
- Batterie mit System (VW)
- Our batteries last the Life of a car (VW)
- WLTP (Wikipedia)
- Kurzstreckenfahren im Winter (YouTube)
- Video von „Der Familientester“
- Batteriegarantie und -pflege (VW)
- E-Auto im Winter: Schwächen bezwingen, Stärken ausspielen! (YouTube, Nextmove)
- Elektroauto – hoher Verbrauch bei Kurzstrecke im Winter (Meine Erfahrung mit ID.3, e-tron, IONIQ) (YouTube, Blauzahn)
Bisher erschienen
- Verbrauch und Reichweite
- Ladepreise
- Körberlgeld für EVUs
- Kostenloses Laden
- Wechselstromladen
- Elektromobile Anmerkungen
- Nie wieder tanken
- Ladekarte
- Ladestellen in Österreich
- E-‘tanken’
- Förderung von E-Autos
Franz war pensionierter HTL Lehrer (TGM), Präsident von ClubComputer, Herausgeber der Clubzeitung PCNEWS und betreute unser Clubtelefon und Internet Support. Er war leidenschaftlicher Rapid Wien Fan. Er ist leider Anfang Jänner 2024 nach langer schwerer Krankheit verstorben.
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