Ich bin zwar erst ein Neuling im Gebrauch eines Elektroautos, aber die Art, wie das „Neue Benzin“ verrechnet wird, ist eigenartig und entspricht so gar nicht den sonst üblichen und gesetzlich vorgeschriebenen Modalitäten.

  1. Die „Elektrotankstellen“ verstoßen nach meiner Ansicht gegen das Preisauszeichnungsgesetz.
  2. Es gibt enorme Preisunterschiede an derselben Ladestelle für verschiedene Ladekarten.
  3. Die Verrechnung einer eventuell gar nicht erbrachten Leistung durch eine Zeitgebühr widerspricht dem kaufmännischen Anstand.

Durch diese Besonderheiten erwirtschaften sich die Betreiber ein schönes „Körberlgeld“.

ad 1. Keine Preisauszeichnung

Als Fahrer eines Elektroautos besitzt man mehrere Ladekarten. Jede dieser Ladekarten kann an einer konkreten Ladestelle gültig sein oder nicht. Jede gültige Karte hat einen anderen Tarif.

Kommt man nun an eine Ladestelle, stellt sich die Frage, welche der eigenen Ladekarten akzeptiert wird und welchen Preis man für das Laden wird zahlen müssen. Die Frage nach der Akzeptanz ist rasch geklärt. Eine nicht akzeptierte Ladekarte wird abgewiesen. Wird die Ladekarte aber akzeptiert, startet der Ladevorgang aber ohne bekannt zu geben, welche Kosten anfallen werden.

Man könnte einwenden, dass im Bereich der Wien Energie die Tarife durch Aushang bekannt sind und daher die Preisauszeichnung durch eine Internet-Seite gegeben ist. Aber Wien Energie ist keine Inselwelt. Das Fahren beinhaltet ja, dass auch Fahrer von außerhalb Wiens oder außerhalb Österreichs hier laden wollen. Sie haben alle eine andere Ladekarte, sind zum Laden berechtigt, erfahren aber ihren Preis nicht. Die Kosten können je nach Ladekarte enorm schwanken.

Auch nach Abschluss des Ladevorgangs gibt es keine Auskunft über den zu erwartenden Rechnungsbetrag, den erfährt man erst am Monatsende beim Bankeinzug.

Die Problemlösung ist ganz einfach: Wenn man eine Ladekarte (ohne angestecktes Ladekabel) über den Leser zieht, sollte die Ladesäule den Grundpreis anzeigen. So wie das bei Mineralöltankstellen selbstverständlich ist. Dafür dürften aber die Ladesäulen nicht vorbereitet sein.

ad 2. Enorme Preisschwankungen

Beispiel: Eine typische „Laterndl“-Ladestelle in Favoriten, Herzgasse hat zwei Ladepunkte mit je 11 kW Ladeleistung. Man bezahlt…

…als Wiener

Als Besitzer der kostenlosen „Tanke START“-Karte bezahlt man hier 0,26 €/kWh.

…als Linzer

Mit der LINZ AG Ladekarte bezahlt man 0,43 €/kWh

…als Burgenländer

Mit der TANKE Ladekarte der Energie Burgenland bezahlt man 0,72 €/kWh

…als Smatrics-Kunde

Mit den Ladekarten ACTIVE und SMART von Smatrics bezahlt man 1,15 €/kWh.

Der Ladepreis liegt also zwischen 0,26 und 1,15 €/kWh an derselben Stelle für dasselbe Produkt. Da die Ladesäule den Ladepreis nicht bekannt gibt, wenn man die Ladekarte über den Kartenleser zieht, kann man als Kunde mit der falschen Karte preislich ganz schön über den Tisch gezogen werden.

ad 3: Zeitvergebührung

Seit dem 19. Jahrhundert ist die Energieverbrauchsmessung etabliert, und jeder Stromkunde zahlt, was er verbraucht. Die früheren „Stromzähler“ wurden in den letzten Jahren durch die Smart Meter ersetzt.

Seit es Elektroladestellen gibt, ist man – wenigstens innerstädtisch – von dem Prinzip der Energiemessung abgewichen und verrechnet eine Zeitgebühr während der das Ladekabel angeschlossen ist. Dieser Verrechnung liegt die Annahme zugrunde, dass der zu ladende Akku während der gesamten Ladezeit immer dieselbe Leistung aufnimmt. Und es mag sein, dass das für viele Ladevorgänge zutrifft. Aber ebenso gibt es viele Beispiele, bei denen der Kunde durch diese Zeitgebühr massiv übervorteilt wird. Es wäre höchst an der Zeit, von der Zeitvergebührung zu einer Energievergebührung überzugehen, wie das an Hochleistungsladestellen entlang der Autobahnen ohnehin der Fall ist.

Elektrofahrzeuge sind für eine bestimmte Wechselstrom-Ladeleistung konzipiert.

Dreiphasig ladende Fahrzeuge

22 kW Renault Zoe
11 kW Mercedes EQC, VW iD.3, BMW iX3

Die ebenfalls dreiphasigen Ladestellen haben eine vorgegebene Ladeleistung in den Stufen 3,7, 11, 22 und 43 kW. Die meisten Ladestellen in Wien besitzen zwei Ladepunkte mit je 11 kW Ladeleistung.

Alle oben angeführten Fahrzeuge können an einem dieser 11 kW Ladepunkte problemlos geladen werden.

Wenn aber ein Fahrer eines Mercedes EQC mit 11 kW Ladeleistung sein Fahrzeug an einem Ladepunkt mit 22 kW oder gar 43 kW anschließt, dann wird sein Wagen keineswegs mit der Nennleistung des Ladepunktes geladen, sondern immer nur mit 11 kW. Da aber alle Ladepunkten die Nennleistung pro Zeit verrechnen – ohne Rücksicht auf die tatsächliche übertragene Energiemenge –  bezahlt dieser Fahrer am 22 kW-Ladepunkt das Doppelte und am 43 kW-Ladepunkt sogar das Vierfache dessen, was er tatsächlich an Energie lädt. Und er wird darauf nicht hingewiesen.

Einphasig ladende Fahrzeuge

Ein 11 kW-Ladepunkt ist ein dreiphasiger Anschluss mit 3 x 3,7 = 11 kW Ladeleistung.

Es gibt aber eine Kategorie von Fahrzeugen, die nicht mit drei Phasen sondern nur mit einer Phase laden können. Folgende Fahrzeuge sind davon betroffen: Citroen Berlingo Electrive L1 und L2, Citroen C-Zero Seduction, Kia Soul EV, Mazda MX 30, Mitsubishi iMiev, Nissan e-NV200 (Kastenwagen), Nissan e-NV200 (Evalia), Peugeot iOn, Peugeot Partner (Kastenwagen), Renault Kangoo Z.E., VW e-Golf (bis 02/2017), VW e-UP.

Die Besitzer dieser Fahrzeuge können zwar an allen 11 kW-Ladepunkten im Raum Wien laden, sie bezahlen aber das Dreifache dessen, was sie konsumieren. Denn ihr einphasig ladendes Fahrzeug kann nur 3,7 kW aufnehmen, auch wenn der Ladesäule 11 kW angegeben ist.

Im Netz der KELAG und der Energie Burgenland wird auf diese technische Besonderheit mit einem eigenen Tarif Rücksicht genommen, im Bereich der Wien Energie aber nicht.

Bei der Zeitvergebührung bezahlt der Kunde zu viel, wenn

  • der Fahrzeugakku die angebotene Leistung nicht aufnehmen kann (Laden eines Fahrzeugs mit 11 kW Ladeleistung an einem 22 kW Ladepunkt)
  • oder der Akku voll ist und kein Strom mehr fließt
  • oder wenn am Ende des Ladevorgangs wegen der Ladekurve des Akku die Ladeleistung abnimmt
  • oder wenn das Fahrzeug nur einphasig laden kann
  • oder wenn einfach ein Fehler vorliegt.

Es muss eine Forderung der Konsumenten sein, das man von dem unanständigen Prinzip der Zeitvergebührung zum Prinzip der Energievergebührung übergeht.

Zusammenfassung

Nach meiner Ansicht müsste sich die Gewerbebehörde oder der Konsumentenschutz dieser Eigenarten annehmen und im Sinne der Konsumenten gegenüber den EVUs folgende Änderungen durchsetzen (nicht nur in Wien):

  1. Preisauszeichnung an der Ladestelle
  2. Reduktion der enormen Preisunterschiede für verschiedene Ladekarten
  3. Energievergebührung statt Zeitvergebührung

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